Finistère. Das Ende der Welt. Das dachten zumindest die Römer, als sie an der schroffen Küste von Frankreichs Westzipfel nur noch die Weiten des Atlantiks vor Augen hatten. Besonders wild ist die Crozon-Halbinsel, die als Paradies für Surfer, Naturliebhaber und Wanderer gilt. Die abwechslungsreiche Küste mit ihren ausgedehnten Heideflächen, historischen Spuren und Traumstränden ist für Kinder ein spannendes Wandergebiet.
#1 Küstenrunde um Camaret-sur-Mer
Diese Tour war die schönste und spannendste all unserer Wanderungen auf der Crozon-Halbinsel, insbesondere der erste Teil, für den man aufgrund seiner vielen, spannenden Zwischenstopps am besten gleich einen ganzen Tag einplanen sollte. Der perfekte Ausgangspunkt für die beiden Wanderungen ist das Camping Municipal in Camaret-sur-Mer. Das schöne Häfenstädtchen liegt in fußläufiger Entfernung, so dass wir nach unserer wohlverdienten Dusche abends noch zum Essen in den Ort spaziert sind.
Teil 1: Zur Pointe de Pen Hir
Wir verlassen den Campingplatz über den Hinterausgang und halten uns links. Kaum fünf Minuten später erreichen wir bereits die erste Sehenswürdigkeit, die Alignements de Lagatjar. 72 Megalithen stehen hier in drei Reihen auf einer Wiese. Ich finde die steinzeitlichen Steinreihen beeindruckend, natürlich sehr fotogen, und vor allem spannend, denn die Frage des „warum“ ist schließlich bis heute nicht wirklich geklärt.
Weiter geht`s, über Feldwege, durch die kleinen Gassen von Kermeur und schließlich durch eine leuchtend rote Heidelandschaft, bis wir einen kleinen Parkplatz an der Küste erreichen. Wir genießen den Ausblick auf unser Ziel, die Pointe de Pen Hir.
Dann halten wir uns rechts und folgen dem aussichtsreichen Weg hoch über der Küste bis hinunter zu dem wunderschönen Sandstrand Plage de Veryac’h. Weißer Sand, türkisblaues Wasser, strahlend rote Heide. Weiter gehen? Unmöglich! Wir verweilen über zwei Stunden, lassen uns ein Eis schmecken, halten die Füße ins Wasser, klettern auf den Felsen herum und beobachten Fischchen in den Wasserbecken auf den Felsen.
Schweren Herzens trennen wir uns von unserem Traumstrand und wandern weiter auf dem Küstenweg bis zur Pointe de Pen Hir. Alleine sind wir hier bei Weitem nicht, der Tourirummel ist jedoch noch aushaltbar. Wir kraxeln über die Felsen vorwärts, um einen guten Blick auf den „Erbsenhaufen“, die Tas de Pois, zu bekommen. Lotta ist hier voll in ihrem Element.
Waren wir auf der Ostseite der Pointe de Pen Hir noch windgeschützt unterwegs, so weht uns auf der Westseite eine ordentliche Brise entgegen. Hosenbeine dranschrauben, Regenjacke anziehen, weiter geht`s! Nach knapp zwei Kilometern ragen aus der herrlichen Heidelandschaft plötzlich Bunker hervor. Ach ja, der Atlantikwall. Das Atlantikschlacht-Museum (Musée mémorial international de la Bataille de l’Atlantique) erinnert und mahnt an dieses düstere Kapitel der Geschichte.
Den Besuch des Museums lassen wir aus. Wir inspizieren aber die frei zugänglichen Wege zwischen den Bunkern, und ich erzähle meiner 4,5-Jährigen in groben Zügen vom Unsinn des Kriegs. Schwieriges Thema, aber in solch einer Kulisse kann man auch nicht nichts erklären.
Allmählich wird es Zeit für den Rückweg. Wir folgen dem Küstenweg, bis sich vor uns der Blick auf den nächsten Traumstrand auftut, den Plage de Pen Hat. Hier werden wir morgen zum zweiten Teil unserer Wanderung anknüpfen.
Heute halten wir uns rechts und sehen uns mit der Ruine Manoir Saint-Pol-Roux noch ein weiteres Mahnmal des Kriegs an. Die Villa des Dichters Saint-Pol-Roux wurde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen besetzt und 1944 schließlich zerbombt. Anschließend laufen wir noch ein paar Meter durch die Dünenlandschaft und erreichen k.o., aber sehr zufrieden unseren Campingplatz.
Teil 2: Küstenrunde um Camaret-sur-Mer
Wir verlassen den Campingplatz wieder über das Hintertürchen, laufen geradeaus durch die Dünen und hinunter zum Plage de Pen Hat. Wolken türmen sich über der Steilküste auf, und ein kräftiger Wind weht uns um die Ohren. Der Traumstrand von gestern wirkt heute eher dramatisch – ich mag die Launenhaftigkeit der Bretagne.
Wir halten uns rechts und laufen über den feuchten Sand, bis kurz vor dem Ende ein Weg nach oben abzweigt. Wir laufen zunächst durch Farn, dann kraxeln wir einen steilen, gerölligen Pfad durch leuchtende Heide hinauf. Oben angekommen wechseln wir die Küstenseite und blicken weit über die Rade de Brest.
Auch heute sehen wir meistens rot: Die blühende Heide ist unser ständiger Begleiter. Aus den Erikaflächen ragen skurrile Felsen hervor, die Lotta freudig für Kletterpartien nutzt. Irgendwann tauchen auch wieder Bunkeranlagen auf, die wir erkunden und gleichzeitig das gelernte Geschichtswissen vom Vortag vertiefen.
Schließlich wird der Ausblick auf Camaret-sur-Mer frei. Die geschützte Lage des Hafens wird von hier oben deutlich, und der trutzige Wachturm Tour Vauban sticht ins Auge. Stück für Stück schlängelt sich der Weg nun hinab, bis wir den Strand Corréjou erreichen. Zeit für eine Pause, zumal mittlerweile die Sonne die Oberhand gewonnen hat.
Wer mag, kann nun noch die Runde über die Hafenmauer vorbei am Schiffsfriedhof bis zum Wehrturm Tour Vauban und der Kapelle Notre-Dame-de-Rocamadour dran hängen (ca. 1 Kilometer). Wir haben Hunger (und die Sehenswürdigkeiten auch bereits besucht), so dass wir lieber einen Abstecher zur Restaurantmeile von Camaret-sur-Mer einlegen, bevor wir den Weg hinauf zum Campingplatz zurück laufen.
#2 Cap de la Chèvre
Eine Wanderung um das Cap de la Chèvre darf beim Besuch der Crozon-Halbinsel keinesfalls fehlen. Nur welches Teilstück dieser 13 Kilometer langen Tour sollen wir laufen? Bei gutem Wetter hätte ich den Weg zur Pointe de St-Hernot eingeschlagen und wäre hinunter zum karibisch anmutenden Strand Plage de l’Île Vierge gestiegen. Alternativ hatte ich den Plan, ab Kerroux die Runde um das Cap de la Chèvre zu drehen. Da das Wetter aber so gar nicht mitspielen will, parken wir das Auto ganz unten am Kap und umrunden den Landzipfel von dort aus. Bei der Länge der Runde sind wir auf diese Weise ganz flexibel.
Wir starten vom Parkplatzes in östliche Richtung (obere gestrichelte Linie im Wanderführer). Der Weg führt ein Stück bergab, anschließend folgen wir dem schmalen Küstenpfad durch eine grüne Farnlandschaft.
Kaum erreichen wir die Südseite des Kaps, tost uns ein unangenehmer Wind entgegen. Das Grün des Farns weicht grauem Fels und roter Heide. Luv und Lee zum Anfassen, erklärt von der Natur höchst selbst. Der Ausblick vom Cap de la Chèvre, der bei gutem Wetter bis hinüber zum Cap Sizun reichen soll, ist eher trüb grau, und die imposante, hundert Meter hohe Steilküste nehmen wir auch nicht recht wahr, weil es keinen Aussichtspunkt mit Tiefblick gibt. Dafür wird der Gedanke vom Ende der Welt hier am Cap de la Chèvre sehr gut greifbar.
Einen Zwischenstopp legen wir an dem Denkmal für verstorbene französische Kriegspiloten und den Überresten einer deutschen Küstenartillerie Batterie ein, in deren Windschatten wir ein Picknick machen.
Weiter geht`s entlang der Westseite des Kaps. Der Wind bläst uns nun entgegen und ein leichter Nieselregen bremst unsere Wanderlust. Wir biegen rechts ins Inland ab (strichelte Linie oberhalb von Rostudel im Wanderführer) und folgen ab Rostudel der Straße zurück zum Wanderparkplatz. Für heute reicht es uns, wobei ich zugegeben muss, dass dieses unbändige Wetter doch recht gut zur Kulisse dieses wilden Kaps passt.
#3 Château und Pointe de Dinan
Den perfekten Ausgangspunkt für diese Wanderung bildet das unmittelbar an der Route liegende Camping Plage De Goulien, das aber leider ausgebucht war. Verschiedene Sportreiseveranstalter bieten Familien-Sufcamps auf dem Platz an, daher ist eine Vorabbuchung in den Sommermonaten unausweichlich. Wir haben in der Nähe des Campingplatzes oberhalb des Goulien-Strandes geparkt und unsere Teilwanderung von dort aus begonnen.
Unser Hinweg zum Château de Dinan und dem Aussichtspunkt Pointe de Dinan entspricht 1:1 der beschriebenen Route im Rother Wanderführer. Bei bestem Sonnenschein laufen wir zunächst durch Farn, dann durch ein Pinienwäldchen, und schließlich hoch über der felsigen Küste durch die schon lieb gewonnene Heide. Am Horizont zeige ich Lotta die Pointe de Pen Hir, die wir schon erwandert haben.
Als wir einen kleinen Landzipfel umrunden, begrüßt uns wieder kräftiger Gegenwind. Luv und Lee hat Lotta langsam verstanden. Das Felsentor Château de Dinan rückt in Sichtweite, hier legen wir im Windschatten einiger großer Felsen eine Pause ein. Ich nutze die Zeit, um über das Felsentor zu klettern und den Landzipfel bis an sein äußerstes Ende zu erklimmen. Für Kleinkinder ist der Abstieg definitiv nicht ratsam!
Nach der Pause bzw. meinem Solotrip folgen wir dem Küstenwanderweg bis zur Pointe de Dinan, von wo aus wir die Küste bis zum Südzipfel der Crozon-Halbinsel, dem Cap de la Chèvre, überblicken können. Auch dort waren wir ja bereits, Lotta ist stolz.
Wir treten den Rückweg an. Ab dem Parkplatz folgen wir ein Stück weit der Straße, bis links ein Sträßchen abzweigt. Wir passieren einige Häuser, dann geht die Straße in einen Feldweg über. Zwischen Wiesen und Hecken laufen durch das Landesinnere zurück (gestrichelte Linie im Wanderführer), hier und da versüßen uns ein paar Brombeeren den Weg. Windgeschützt und ohne großes Bergauf und Bergab erreichen wir flott wieder unseren Ausgangspunkt.
GR34: Fernwandern auf der Crozon-Halbinsel
Der GR34, auch bekannt als Zöllnerweg, der sich um die gesamte Küste der Bretagne zieht, verläuft natürlich auch rund um die Crozon-Halbinsel. In vier bis fünf Etappen kann man die 90 Kilometer lange Strecke meistern. Alle Informationen zu diesem Abschnitt des GR34 erhaltet ihr auf der tollen Outdoor-Seite TrekkingTrails.
Kleine Ergänzung von mir: Von Deutschland aus gelangt man ganz bequem (und nachhaltig) mit dem TGV nach Brest. Von Dortmund aus ist man in 11-12 Stunden in der Bretagne, von Berlin benötigt man 14 Stunden, ab München 12-13 Stunden und von Frankfurt gelangt man sogar in nur 9-10 Stunden nach Brest. Von Brest setzt eine Fähre (La Brestoa) rüber nach Le Fret auf der Crozon-Halbinsel, wo der nächste Campingplatz in fußläufiger Entfernung liegt. Hier haben wir mehrere Fernwanderer und Radfahrer getroffen, die die Crozon-Halbinsel umwandern bzw. erradeln wollten.
Auch wenn sich die Wanderungen auf der Crozon-Halbinsel landschaftlich ähneln, ist es mir nicht langweilig geworden. Wie seht ihr das? Reichen euch ein, zwei Touren aus, oder könnt ihr euch sogar vorstellen, die Crozon-Halbinsel auf dem GR34 komplett zu umrunden?
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Hallo liebe Ausreisserin.
Dein Bericht erinnert mich an unsere ersten Wanderungen (1996) mit unseren Kindern, damals 6 u. 2 Jahre auf der Presqu’île de Crozon. Wir wurden dann von dieser traumhaften Landschaft so infiziert, dass wir seitdem jedes Jahr dorthin zurück mussten ach und nach zog uns nicht nur die Natur sondern auch das kulturelle Erbe immer mehr an. Mittlerweile leben mein Mann und ich hier und die Kinder kommen so oft wie möglich zu Besuch. Immer noch wandern wir kreuz und quer
über die Halbinsel und wir entdecken auch nach 24 Jahren immer wieder etwas Neues.
Liebe Karin,
wie schön! Das hört sich ja traumhaft an. Ein nettes Häuschen mit blauen Fensterläden im Finistère habe ich mir auch schon vorgestellt, und wer weiß, vielleicht wird das ja auch irgendwann mal was. Deine Geschichte lässt hoffen :-) Meine Fünfjährige spricht sogar schon ein paar Worte Französisch.
Viele liebe Grüße auf die Presqu’Île de Crozon.
Nicole
Dein Text läßt einem vom Urlaub träumen. Vielen Dank dafür.
Ziel erreicht, würde ich sagen :-) Danke dir!