Ich hatte noch nie eine Klammwanderung gemacht, das wollte ich endlich ändern. Die vielen atemberaubenden Fotos der wilden Schluchten hatten mich in ihren Bann gezogen. Ich befragte das Internet nach Klammwanderungen in der Nähe unseres Etappenziels Luzern, und siehe da! Ich wurde fündig. Dass das Schweizer Haslital noch weit mehr als die Aareschlucht zu bieten hat, war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar…
Aareschlucht: Wild, mystisch, wunderschön
Die Strahlen der Frühlingssonne strichen warm über meine Haut, als ich die Sachen für unsere Klammwanderung zusammen packte. Snacks, Wasser und Fleecejacken. Fleecejacken? Ja, unbedingt, denn in einer engen Schlucht ist es meist schattig und kühl.
Die Aareschlucht ist von zwei Seiten aus begehbar, wir sind auf der Westseite gestartet. Die ersten Meter führten uns durch eine bunte Blumenwiese. Schmetterlings flatterten um uns herum, neben uns rauschte die türkisfarbene Aare – schöööön! Nur ein paar Meter weiter änderte sich die Szenerie drastisch.
Der Eingang zur Aareschlucht war das buchstäbliche Tor zu einer anderen Welt. Steil ragten die ausgewaschenen Felswände über uns auf, nur hier und da verirrten sich ein paar Sonnenstrahlen in die schmale Klamm. Wir liefen durch in den Fels geschlagene Gänge, von deren Decke sich – platsch! – immer wieder freche Wassertropfen auf uns nieder fallen ließen.
Wir wanderten über Holzstege, die aufwändig an den blanken Fels montiert waren. Neben uns, manchmal auch unter uns, rauschte und toste die Aare. Wir waren fasziniert von den Windungen des Wegs, den Felsformationen, der Kraft des Wassers, den Lichtspielen. Die Natur hat hier wahrlich ein Meisterwerk geschaffen!
Nach etwa zwei Dritteln des Wegs weitete sich die Schlucht. Das Sonnenlicht hatte nun freie Bahn: Es ließ die Aare grün funkeln und verwandelte die gerade noch mystische und dunkle Klamm in eine wildromantische Szenerie. Hach!
Treppenstufen rissen mich aus dem Schwärmen und kündigten den Ost-Ausgang der Aareschlucht an, der etwas erhöht an der Straße nach Innertkirchen liegt. Wir liefen noch ein Stückchen weiter, den kleinen Pfad auf der anderen Straßenseite hinunter bis zum Fluss, wo wir es uns im Schatten mit einem kleinen Picknick gemütlich machten. Zu Lottas Glück gab es hier auch noch einen „Wasserspielplatz“ für sie, während Leni im grünen Gras ihre Glieder strecken konnte.
Praktische Infos zur Tour
Die kurze und einfache Wanderung durch die Aareschlucht ist für Jedermann geeignet. Die ersten zwei Drittel des Wegs ab Westeingang, also der spannendste Part, sind barrierefrei. Als Familie sollte man etwa einen halben Tag für die Aareschlucht einplanen. Wir haben, samt Staunen und Fotos machen, eine knappe Stunde für die Klammwanderung benötigt, den Rückweg haben wir in etwa 45 Minuten zurückgelegt. Dazu kamen eine Stunde Pause am Aare-Ufer auf der Ostseite der Schlucht und eine weitere Stunde nach der Wanderung auf dem perfekt ausgestatteten Spielplatz am Westeingang (kostenfrei).
Fazit: Ein absolut perfekter und gemütlicher Familienurlaubstag, bei dem alle auf ihre Kosten gekommen sind!
Tipp für Fotografen
Lange Fotosessions lassen sich ja leider nicht sonderlich gut mit einer Familienwanderung vereinbaren. Wer aber die Zeit zum Fotografieren hat, sollte unbedingt ein Stativ plus Fernauslöser (alternativ Selbstauslöser verwenden) dabei haben und am besten ein lichtstarkes (Weitwinkel-)Objektiv. Die Lichtverhältnisse in einer Klamm sind natürlich immer eine kleine Herausforderung…
Tipp: Vergünstigtes Kombi-Ticket mit Reichenbachfall-Bahn möglich!
Hinweis: Zwei Drittel der Strecke ab Westeingang sind barrierefrei!
Sherlock Holmes in der Schweiz?
Einer ist uns in Meiringen an allen Ecken und Enden begegnet: Sherlock Holmes. Ein Hotel trägt seinen Namen, ein Lounge-Club ist nach ihm benannt, und mitten in der Stadt sitzt eine lebensgroße Statue von Sherlock Holmes. Nanu, was macht der Londoner Detektiv aus der Baker Street hier in der Schweiz?
Kombiniere: In Meiringen befindet sich der Reichenbachfall, den Arthur Conan Doyle als (vorläufigen) Sterbeort seines genialen Detektivs ausgewählt hatte. Natürlich ist der beeindruckende Wasserfall ein wahrer Pilgerort für Sherlock Holmes Fans aus aller Welt. Und wo wir schon mal in Meiringen waren, wollten auch wir diese Attraktion besuchen.
Reichenbachfall: Tosendes Naturschauspiel
Der Reichenbachfall ist eine 300 Meter hohe Kaskade aus sieben Stufen. Man kann von Meiringen aus zum Reichenbachfall hinauf wandern, wir haben uns jedoch für die bequeme Alternative entschieden, die Reichenbachfall-Bahn. Ein originalgetreu nachgebauter Holzwagen der Nostalgiebahn hat uns 244 Höhenmeter bis zum Fuße des größten Falls gebracht. Der Ausblick: Gewaltig!
In eine leichte Sprühnebelwolke gehüllt stiegen wir die Stufen entlang des Wasserfalls hinauf. Mehrere Aussichtsplattformen boten immer wieder tolle Ausblicke auf das Naturschauspiel, die ich begeistert fotografisch festhielt. Bis… zapp! … mein Kameraakku leer war. Und ich dumme Nuss hatte natürlich keinen Ersatz im Tagesgepäck. Zum Glück haben wir eine freundliche Familie von ebenfalls Nikon-Nutzern getroffen, die mir hier und da kurz ihren Akku geliehen haben. Danke, Jola, Jacek und Philipp!
R.I.P., Sherlock!
Durch sie haben wir auch erfahren, dass man auf der anderen Flussseite zur Absturzstelle von Sherlock Holmes wandern kann. Zum Wandern waren wir zwar nicht großartig ausgerüstet (offene Trekkingsandalen kann ich jetzt nicht weiterempfehlen), aber unsere Neugier siegte. Wir kreuzten den Reichenbach über eine kleine Brücke, stiegen weiter hoch bis zur Straße unterhalb des Gasthauses, und dann ging es links einen Waldweg wieder hinab. An der nächsten Kreuzung im Wald bogen wir links ab und folgten dem Weg bis zu seinem Ende. Hier hatte Conan Doyle in seiner Kurzgeschichte „Das letzte Problem“ Sherlock Holmes und Doktor Moriarty gegeneinander kämpfen und in die Tiefe stürzen lassen. Trotzdem es nur Fiktion ist, beschlichen mich seltsame sentimentale Gefühle, ließen die Blumen und Gedenktafel die Todestelle doch sehr real wirken.
Tipp: Vergünstigung mit Gästekarte!
Sherlock Holmes Museum in Meiringen
Um das Sherlock Holmes Erlebnis abzurunden, sollte man sich unbedingt das Museum anschauen. Das kleine Museum befindet sich unübersehbar mitten in Meiringen, Sherlock höchst selbst sitzt in Denkerpose davor. Ein Besuch ist Pflicht! Und mit der Gästekarte sogar kostenlos. Es empfiehlt sich allerdings, direkt am Museum die Öffnungszeiten zu checken, die sind nämlich teils sehr eingeschränkt. Mein persönliches Highlight war ganz klar das original nachempfundene Zimmer aus der Baker Street.
Tipp: Kostenfrei mit Gästekarte!
Weitere Unternehmungen in der Gegend
Eigentlich wollten wir nur die Wanderung durch die Aareschlucht unternehmen, spontan haben wir dann noch einen weiteren Tag für den Reichenbachfall und das Sherlock Holmes Museum dran gehängt. Hätte ich mich vorher besser (oder überhaupt) über die Gegend informiert, hätte ich sicherlich noch mehr Zeit für das Schweizer Haslital eingeplant. Hier eine kleine Sammlung von Unternehmungsmöglichkeiten in der Gegend, die mich noch sehr reizen:
- Direkt ab Meiringen startet der Felspfad durch die Alpbachschlucht, der dem Wanderer während der 40-minütigen Gehzeit Trittsicherheit und Schwindelfreiheit abverlangt.
- Gute 10 Kilometer von Meiringen entfernt gibt es eine weitere Gletscherschlucht, die Rosenlaui-Schlucht.
- Schwer angefixt haben mich die Bilder von der schwindelerregenden Trift-Brücke. Die Wanderung dorthin von 1,5 Stunden pro Weg hatten wir uns allerdings nicht getraut, noch fehlte uns die Erfahrung, was mit unseren beiden Mädels ging und was nicht. Unbedingt beim nächsten Mal!!
- Nervenkitzel und Achterbahn-Feeling verspricht die Gelmerbahn, mit einer Steigung von bis zu 106 Prozent die steilste offene Standseilbahn Europas. Nahe der Talstation der Gelmerbahn wartet mit der Handeckfallbrücke eine weitere Hängebrücke mit Aussicht, oben an der Bergstation startet u.a. die 2-stündige Wanderung um den Gelmersee.
- Die Gegend hat natürlich noch mehr Wanderungen, Klettersteige und Ausflugsziele zu bieten.
Campingplatz-Tipp: Alpen Camping
Wir waren sehr zufrieden mit dem etwa 1,5 Kilometer vom Zentrum Meiringens entfernten Alpen Camping. Die Sanitärs sind modern und sauber, der Kinderspielplatz ist super, und wir konnten gemütlich auf der überdachten Veranda sitzen, kochen und essen. Für Nichtcamper bietet der Platz auch kleine Blockhütten an.
Fazit: In Meiringen und Umgebung kann man auch länger bleiben. Wir müssen und werden wohl wiederkommen. Wart ihr schon in der Gegend und habt noch weitere Tipps und Empfehlungen?
KEINE Werbung
Nö, das ist kein Sponsored Post. Ich war ganz einfach sehr angetan von der Gegend und versprühe meine Begeisterung daher hier :-)
Wooow, die Aareschlucht sieht ja wirklich hochgradig spektakulär aus! Und ich beneide euch sehr um die Tour zum Reichenbach-Fall. Als mittelgroßer Sherlock-Holmes-Fan hatte ich die Stätte bei unserer Schweiz-Tour auf dem Schirm, aber da wir auf Bus und Bahn angewiesen waren und unsere Couchsurfer in Sigriswil wohnten, wäre der Ausflug zwar möglich, aber doch extrem umständlich gewesen (und am einzig möglichen Tag schneite es außerdem). Aber wenn ich jetzt deine Bilder sehe, möchte ich doch ganz unbedingt noch mal hin…
Oh ja, das ist sie tatsächlich! Mit Bus & Bahn finde ich es in den Alpen mitunter wirklich schwierig. Innerhalb eines Tals, ja, das geht gut, weitere Strecken können aber echt anstrengend werden. Beim nächsten Mal dann! Wenn ihr Meiringen oder Innertkirchen z.B. als Basis wählt, sind reichlich Unternehmungen möglich, auch mit Bus & Bahn.
Liebe Grüße!
Hallo, das sieht ja toll aus in der Klamm, ich glaub, da müssen wir auch mal hin. Eine praktische Frage hätte ich: kann man auch mit Kraxe überall aufrecht gehen? Ich erinnere mich an die Breitschklamm, wo mein Expartner teilweise im Entengang unter den Überhängen durch musste und ich mir froh war, dass er an dem Tag die Kraxe hatte. Alleine mit den beiden möchte ich mir sowas dann lieber ersparen…
LG Steffi
Danke, liebe Steffi! In der Aareschlucht kannst du überall aufrecht gehen, da bekommst du keine Probleme. 2/3 der Tour sind sogar Kinderwagen-tauglich. Die Strecke ist außerdem gut abgesichert, so dass es keine akut gefährlichen Stellen für Kinder gibt. Von daher: Nichts wie hin! :-)
Liebe Grüße, Nicole