Wo genau liegt eigentlich die Provence? In Südostfrankreich, soweit klar. Aber wo beginnt die Provence? Und wo endet sie? Als wir die ersten Lavendelfelder passierten, da wusste ich, wir sind angekommen. Provence, oh du lila Schönheit, ich bin dir sofort erlegen! Auf den ersten Blick, und auch auf den zweiten und dritten und vierten Blick, denn die Provence hat weit mehr als „nur“ Lavendel zu bieten.
Die Provence auf der Landkarte
Das französische Festland ist in 13 Regionen unterteilt, die sich wiederum in mehrere Départements untergliedern (insgesamt 96). Die Provence ist weder eine französische Region, noch ein Département. Sie ist schlicht und ergreifend eine Landschaft in Südostfrankreich, die durch keine klaren Grenzen abgesteckt ist. Etwas verwirrend ist natürlich, dass die gesamte Region im südöstlichen Zipfel Frankreichs Provence-Alpes-Côte d’Azur, kurz PACA, heißt. Die Provence ist also irgendwie der Teil dieser Region, den man erhält, wenn man die Alpen und die Côte d’Azur abzieht. Ich persönlich klammere auch die Carmargue, die Schwemmlandebene im Rhône-Delta, aus, auch wenn sie eigentlich zur Basse-Provence gerechnet wird.
In einem kreativen Anfall habe ich eine kleine Karte gemalt und die Provence dort, wo ich sie am provenzalischsten erlebt habe, eingezeichnet (lila Kreis). Wie ihr seht, rechne ich den südlichen Zipfel des Département Drôme, das bereits zur Region Rhône-Alpes gehört, mit zur Provence, denn die endlosen Lavendelfelder dort wirken einfach voll und ganz provenzalisch.
Lavendel: Der Inbegriff der Provence
Die lila Lavendelfelder sind im Allgemeinen das Sinnbild der Provence. Ich gebe zu, dass der Lavendel auch der Auslöser und Hauptgrund für mich war, in die Provence zu reisen. Ich wollte das endlose Lila unbedingt mit eigenen Augen sehen. Und natürlich fotografieren. Was soll ich sagen? Es ist genauso traumhaft, wie ich es mir vorgestellt habe. Sogar noch berauschender! Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Duft des Lavendels hat uns ständig begleitet. Nicht zuletzt deshalb, weil ich ein paar Lavendelsträuße als Souvenirs für Familie und Freunde (und für uns als Erinnerung) mitgenommen habe.
Lavendel sieht aber nicht nur großartig aus und duftet herrlich, nein, Lavendel hört sich auch schön an. Wie bitte? Richtig gelesen, Lavendel summt wunderhübsch. Also die unzähligen Bienen, die von Blüte zu Blüte surren. Ein Spektakel für alle Sinne.
Es ist nicht alles Lavendel, was lila leuchtet
Genau genommen ist der Echte Lavendel sogar in der Minderheit. Viele der lila leuchtenden Felder sind nämlich mit einer Art „Klon“, dem Lavandin, bepflanzt. Lavandin ist eine Hybride aus Echtem Lavendel und Speiklavendel, die seit den 1950er Jahren in der Provence kultiviert wird. Der Clou beim Lavandin ist sein hoher Ertrag. Für 1 Liter ätherisches Öl benötigt man 40 Kilo Lavandin-Rispen, wohingegen man beim Lavendel ganze 130 Kilogramm Rispen braucht. Zudem kann Lavandin bereits nach einem Jahr geerntet werden, während man beim Lavendel zwei bis vier Jahre auf die erste Ernte wartet. Kein Wunder also, dass Lavandin auf dem Vormasch ist. Seine Blüten füllen die kleinen Duftsäckchen für den Kleiderschrank, und das Lavandinöl wird vor allem von der Kosmetik- und Parfüm-Industrie genutzt. In zwei Punkten hat der Echte Lavendel aber die Nase vorne: Er ist edler, weil sein Duft feiner, zarter und angenehmer ist, außerdem kommt er dank seiner beruhigenden Eigenschaften als Heilmittel zum Einsatz.
Lavendel oder Lavandin: Wie erkenne ich den Unterschied?
Beim Echten Lavendel sind die Blüten kranzförmig in mehreren Stufen am etwa 30-40 Zentimeter langen Stielen angeordnet. Zwischen den einzelnen „Blütenkränzen“ ist jeweils ein Stückchen des Stiels zu sehen. Beim Lavandin hingegen bilden die kleinen Blüten eine Art Kolben, sein Blütenstand ist dichter. Zudem ist der Stiel beim Lavandin mit 60-80 Zentimetern länger, und die Lavandin-Büsche sind größer als Lavendel-Büsche. Soweit meine laienhafte Nicht-Botaniker-Erklärung, die ich besser noch mit Fotos untermale:
Wann und wo findet man schöne Lavendelfelder?
Die Lavendelblüte kann man von Ende Juni bis Anfang/Mitte August erleben – in der Regel. Wir haben vom 15. bis 19. Juni die Gegend um das Plateau de Valensole besucht, und dank des extrem warmen Frühsommers erstrahlten viele Lavendelfelder bereits in einem satten Violett. Im späteren Verlauf unserer Reise haben wir das Vaucluse und die provenzalische Drôme erkundet (10. bis 16. Juli). Was soll ich sagen? Nach wochenlangen Sonnentagen mit 35 Grad war Mitte Juli die Lavendelernte schon in vollem Gange. Wir haben zwar immer noch viele lila Lavendelteppiche in der Gegend um Apt, Gordes, Sault und Ferrassières erlebt, wir haben aber auch die Erntemaschinen im Einsatz und abgeerntete Lavendelfelder gesehen. Das Wetter hat halt einen entscheidenden Einfluss auf die tatsächliche Erntezeit, die in 2017 deutlich früher als gewöhnlich ausgefallen ist.
Eigentlich schafft man es bei einer Provence-Reise nicht, die Lavendelfelder zu verpassen. Wer aber gerne eine spezielle Lavendelroute abfahren möchte, findet bei der französischen Zentrale für Tourismus sechs Routen zur Auswahl. Außerdem empfehle ich euch noch diese schöne Übersicht über die (üblichen) Blütezeiten des Lavendels in den verschiedenen Regionen.
Kleine Randnotiz: Take only pictures, leave only footprints. Und die bitte nicht mitten in den Lavendelbüschen. Es versteht sich von selbst, dass man sich als Tourist vorsichtig in den Lavendelfeldern bewegt und keine Pflanzen platt trampelt oder abpflückt.
Lavendellehrpfad: Wandern, genießen und lernen
Im Tourismusbüro in Sault habe ich einen Flyer für den 3,3 Kilometer langen botanischen Lavendelpfad von Ferrassières entdeckt, den ich unbedingt laufen wollte. Weil unsere Kinder bei der Anfahrt eingeschlafen sind, haben wir die Gunst der Stunde genutzt und in der urgemütlichen Bar L’Entrepot sehr, sehr lecker gegessen. Die Tartines kann ich wärmstens empfehlen!
Den Spaziergang haben wir später vom L’Entrepot aus gestartet. Der Einstieg war etwas undurchsichtig (bei der kleinen Kirche ins Feld abbiegen, der Eingang der Kirche liegt zur Rechten), anschließend ist die Route aber gut gekennzeichnet. Auf Feldwegen sind wir durch die duftenden, lila Felder gewandert, mit weiten Ausblicken über noch mehr violette Felder und den knapp 2.000 Meter hohen Mont Ventoux am Horizont. Herrlich! Auch wenn Passenten uns erzählten, dass das Gesamtbild im vergangenen Jahr zur gleichen Jahreszeit noch deutlich violetter aussah.
Die Erklärungstafeln entlang des Wegs habe ich zugegebenermaßen nur überflogen, die Infos waren mir dann doch zu botanisch. Mich hätten Erläuterungen zur Ernte, Verarbeitung und Nutzung des Lavendels mehr interessiert, aber da wäre das Lavendelmuseum in Coustellet wohl die bessere Anlaufstelle gewesen. Lässt man den Lehrpart mal außer Acht, empfehle ich den Lavendelpfad unbedingt weiter. Es ist herrlich entspannend, durch das duftende Lila zu spazieren. Ein bisschen wie ein legaler Drogentrip ;-)
Die Provence kann aber mehr als nur lila
Auch wenn die Lavendelfelder das Aushängeschild der Provence sind, hat die Provence noch viele andere faszinierende Gesichter. Die Provence kann auch gelb …
… und rot …
… und orange …
… und windig, schroff und hoch …
… und erfrischend nass …
… und abenteuerlich schmal und hoch …
… und imposant tief …
… und und und. Die Landschaft der Provence ist unheimlich abwechslungsreich. Sie bietet vielfältige Outdoor- und Unternehmensmöglichkeiten. Dazu kommen zahlreiche hübsche (mittelalterliche) Dörfer, die erkundet werden wollen, und mit Aix-en-Provence eine wunderschöne Stadt, die bei den Franzosen in puncto Lebensqualität ganz oben rangiert.
Provence mit Kindern: Top oder Flop?
Auf jeden Fall top! Die riesige landschaftliche und kulturelle Vielfalt der Provence macht es Familien leicht, ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen, bei dem weder Groß noch Klein zu kurz kommen. Unsere Unternehmungsfavoriten im Vaucluse habe ich bereits vorgestellt. Darüber hinaus empfehle ich allen Familien, die die Provence entdecken möchten, den Reiseführer Provence mit Kindern* vom Naturzeit Reiseverlag (*Affiliate-Link zum Amazon-Partnerprogramm).
Man glaubt es kaum, aber für das Aushängeschild der Provence, den Lavendel, konnte sich unsere 2,5-jährige Lotta ebenso sehr freuen wie wir. Auch heute, ein knappes Jahr später, ist sie immer noch großer Lavendel-Fan. Erst letztes Wochenende hat sie einem älteren Herrn im Gartencenter erklärt, wie gut Lavendel riecht, und dass sie in Frankreich schon mal ganz viel Lavendel gesehen hat.
Noch mehr Provence auf anderen Blogs
- Anuschka hat auf ihrem 17-tägigen Roadtrip durch die Provence wie wir auch die Lavendel-Metropole Sault besucht. In ihrem Blog Rosas Reisen gibt es auch tolle Einblicke in die Gorge de la Nesque, die wir aus Zeitgründen links liegen lassen haben.
- Anja von Travel on Toast ist stilecht in einer Ente durch die Provence gecruised. Ja, das hat schon was!
Hallo Nicole,
danke für die Verlinkung, habe mich da heute Morgen sehr drüber gefreut. Einen tollen Artikel hast du geschrieben, die selbstgemalte Karte finde ich eine total süße Idee! Und dank dir hab ich jetzt noch richtig was gelernt!
Liebe Grüße
Anuschka
Hallo Anuschka,
gern geschehen und danke schön!
Lieben Gruß, Nicole
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