Vorletztes Wochenende habe ich erstmals nach der Geburt von Leni familienfrei bekommen – jippie! Wie schon nach Lottas Geburt hat mir eine Bloggerreise den ersten Freigang beschert (Danke, liebe Blogleser, und vor allem danke, liebe Initiatoren des E1|R1 Photo Award!!). Dieses Mal durfte ich das Land des Hermann kennen lernen. Und? Habt ihr eine Ahnung, wo und was das ist?
Wer ist dieser Hermann?
Mit Hermann ist Hermann der Cherusker gemeint, der germanische Stammesführer, der in der berühmten Varusschlacht (9 n. Chr.) drei römische Legionen besiegt hat. Wo genau diese bedeutende Schlacht stattfand, in der ein Achtel des gesamten Heeres des Römischen Reiches vernichtet wurde, ist historisch nicht abschließend belegt. Ebenso wenig ist Hermanns eigentlicher Name bekannt – die Germanen hatten es halt nicht so mit der Schreiberei. In den römischen Schriften wird der Cheruskerfürst jedenfalls als Arminius überliefert.
Arminius und die Varusschlacht gerieten über viele Jahrhunderte in Vergessenheit. Die Germanen besaßen wie gesagt keine Schriftkultur, und die Römer wollten die Schmach verständlicherweise lieber vergessen. Immerhin hatte Arminius durch seinen Sieg verhindert, dass die rechtsrheinischen Gebiete Germaniens zu einer Provinz des Römischen Reiches wurden.
Die im 16. Jahrhundert wiederentdeckte Figur des Arminius kam dem aufkeimenden deutschen Nationalgefühl des 19. Jahrhunderts gut zu Pass. Nach dem Untergang Napoleons und der Vereinigung der achtunddreißig souveränen Einzelstaaten im Deutschen Bund wollte Ernst von Bandel ein allgemeingültiges Nationalsymbol erschaffen. Er steckte all seine Energie und sämtliches Privatvermögen in den Bau des Hermannsdenkmals, der (mit einer Unterbrechung von 15 Jahren) von 1838 bis 1975 gedauert hat. Die Kolossalstatue misst 53,46 Meter, damit ist das Hermannsdenkmal die höchste Statue Deutschlands. Im Übrigen blickt Hermann nicht etwa gen Rom, das er ja besiegt hat, sondern in Richtung des „Erzfeindes“ Frankreich.
Auf Augenhöhe mit Hermann
Warum belagere ich euch mit so viel Geschichte? Na, zum einen hoffe ich, dass ihr diesen Ausschnitt aus der deutschen Geschichte ebenso spannend findet wie ich. Und zum anderen bin ich in eben diese Geschichte eingetaucht – wörtlich zu nehmen. Ich hatte nämlich die Gelegenheit, dem Hermann zu Kopf zu steigen. Genauer gesagt bin ich in der Statue von den Füßen bis in den Kopf des Hermann hinaufgeklettert. Und das habe ich so erlebt:
Erwartungsvoll steige ich die Stufen im Hermannsdenkmal hinauf. Die Aussichtsplattform lasse ich links liegen, denn für uns wird die Holztür am Ende der Wendeltreppe aufgeschlossen. Noch ein paar Stufen und ich befinde mich im Sockel der Arminius-Statue. Bis hierhin gelangen auch Besucher, die eine Führung am Hermannsdenkmal buchen, für uns geht es aber weiter hinauf. Gute 18 Meter sind es jetzt noch bis in den Kopf des Hermann. Ich bin gespannt.
Micha vom benachbarten Teuto-Kletterpark stattet uns zunächst mit der nötigen Kletterausrüstung aus: Gurt, Helm und Stirnlampe, das Tageslicht in der Röhre der Statue ist begrenzt. Er klinkt mich an das Sicherungsseil, und schon geht es los. Nur nicht zu schnell, denn sein Kollege Corbin, der irgendwo oben im Hermann die Strippen zieht, muss mit dem Sichern nachkommen.
Ich steige also in gemütlichem Tempo die Leiter hinauf und betrete durch eine Luke das Innere des Hermann. Über mir erstreckt sich eine Röhre, in der mich eine zweite Leiter erwartet. Mh, unter Klettern hatte ich mir ja etwas Anderes vorgestellt. Auf Corbins Regieanweisung hin steige ich die ersten drei Stufen hinauf und wechsle anschließend auf die Rückseite der Leiter, damit ich durch die nächste Luke passe. Oh ja, so langsam wird es enger hier in der Röhre. Ich sortiere meine Gliedmaßen und muss immer wieder aufpassen, dass ich nicht rücklings irgendwo anecke. Ab jetzt gibt es keine Leiter mehr, jetzt wird „richtig“ geklettert. An den Wänden der Röhre befinden sich Metallgriffe, zwei hier, drei dort und die nächsten auf der gegenüberliegenden Seite. Besonders schwer gestaltet sich das Hochklettern dennoch nicht. Zwischendurch weist Corbin mich auf eine „Abzweigung“ hin, die in eine schmalere Nebenröhre führt, die im Bein des Hermann verläuft. Ich riskiere einen Blick und verstehe schnell, warum diese zum Klettern zu eng ist.
Bald habe ich schon den Kopf des Cheruskerfürsten erreicht. Da stehe ich nun, mitten im Hermann, und schaue durch seine Nasenlöcher hinaus. Zu gerne möchte ich jetzt Fotos schießen, vom Inneren des Kopfes und den Blick hinunter in die Röhre, über die ich aufgestiegen bin. Ich traue mich aber nicht, weil ich im Geiste schon mein Handy die 18 Meter hinab fallen sehe. Macht nichts, bei den Lichtverhältnissen stehen die Chancen für gute Handyfotos eh schlecht.
Ich schaue mich in aller Ruhe um, finde Hermanns Augen, seine Ohren und ins Metall geritzte Namen, die wohl von dem Wartungspersonal hinterlassen wurden. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Die Sprossen, über die ich hoch geklettert bin, sind eben jene, über die damals die Erbauer und in der Folge das Wartungspersonal geklettert sind. Ohne moderne Sicherung, versteht sich. Dafür mich schwerem Werkzeug und Material bewaffnet. Ein Gefühl von Ehrfurcht bricht über mich herein. Als ich die Stufen wieder hinabsteige, sehe ich diese Kletterpartie aus einer völlig anderen Perspektive. Allerdings auch deshalb, weil sich die Trittstufen nun unter mir befinden, so dass ich mit meinem Fuß im Dunkeln herum stochern muss, bis ich den nächsten Metalltritt erwische. Um besser nach unten gucken zu können, lehne ich mich nach hinten. Dumme Idee, etwas unsanft touchiert mein Rücken etwas Metallenes. Doch, die Röhre ist eng, Klaustrophobie sollte man hier besser nicht haben.
Kurz vor Schluss weist Corbin mich nochmals auf eine Luke hin, die den Blick nach draußen freigibt. Ich befinde mich nun direkt zu Hermanns Füßen, und vor mir erstreckt sich der Teutoburger Wald. Schön! Kaum zu glauben, dass hier vor vielen Jahrhunderten blutige Kämpfe stattgefunden haben. Vielleicht auch die Varusschlacht.
Ich klettere zurück durch die Einstiegsluke und die letzte Leiter hinab. Was für ein Erlebnis! Sicherlich keine extreme sportliche Herausforderung, aber umringt von den geschichtlichen Schwingungen doch eine außergewöhnliche Kletterpartie.
Infos rund ums Klettern im Hermann
Ein paar Bilder aus dem Inneren des Hermann gibt es doch, denn mein Bloggerkollege Thomas vom Reiseblog breitengrad66 hat ein kleines youtube-Video aufgenommen, in dem ich auch sehr vorteilhaft abgelichtet bin… Schaut’s euch mal an!
Wer Lust bekommen hat, auch mal im Hermann zu klettern, dem sei gesagt, dass die Gelegenheiten äußerst rar sind. Es werden nur vier Termine pro Jahr angeboten, bei denen jeweils um die zehn Personen klettern dürfen. Die Exklusivität hat auch ihren Preis: 59 Euro kostet das Klettererlebnis im Denkmal. Weitere Informationen erhaltet ihr auf der Webseite des Teuto-Kletterpark.
Der Hermann als Ausflugsziel
Auch ohne die Kletterei in der Statue gehört das Hermannsdenkmal zu den Pflicht-Ausflugszielen im Lipperland. Der Blick von der Aussichtsplattform auf den Teutoburger Wald und das Lipperland ist herrlich. Auch sollte man sich die unscheinbar wirkende Holzhütte, die man auf dem Weg zum Hermann passiert, einmal näher anschauen. Dort hat nämlich in den letzten Jahren vor der Fertigstellung des Denkmals kein Geringerer als Ernst von Bandel höchst persönlich gelebt. Heute befindet sich dort eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Hermannsdenkmals. Natürlich gibt es am Hermannsdenkmal auch eine Gastronomie und einen Kinderspielplatz.
Fernwanderweg E1: Nordkapp – Hermannsdenkmal – Salerno
Direkt am Herrmannsdenkmal befindet sich übrigens auch das in 2014 neu gegründete Kompetenzzentrum Wandern WALK. In den letzten Jahren hat das Wandern – zum Glück, wie ich finde – einen enormen Aufschwung erlebt. Wandern ist wieder „in“. Sich körperlich betätigen, den mentalen Ausgleich suchen, in der Natur sein, kulturelle Highlights unterwegs besuchen – die Motivation für das Wandern ist vielfältig.
Wir sind natürlich auch noch gewandert, und zwar eine kleine Etappe des insgesamt rund 7.000 Kilometer langen Fernwanderweg E1, die uns vom Hermannsdenkmal rüber zum nächsten Highlight der Region, den Externsteinen, geführt hat. Bericht folgt!
Zu dieser Reise wurde ich von den Initiatoren des E1|R1 Photo Award eingeladen – herzlichen Dank!
Seid ihr auch schon mal an ungewöhnlichen Orten geklettert? Oder auf andere ungewöhnliche Weise in die Kultur und Geschichte einer Region eingetaucht? Lasst mal hören!
Tolle Geschichte, vielen Dank dafür!
Gerne! Ich werde mit Anhang wiederkommen :-)
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