Neben der grandiosen Landschaft sind die Lofoten vor allem für eines bekannt: Fisch, allen voran der Kabeljau. Von Februar bis April findet der berühmte Lofot-Fischfang statt. Bis in den Juni hinein ist das Bild der Lofoten von riesigen Holzgestellen geprägt, auf denen der Fisch in der Sonne und der salzigen Luft trocknet. Anschließend wird der Stockfisch nach Italien, Portugal und das übrige Europa exportiert.
„Ihr müsst auf den Lofoten wenigstens ein Mal frischen Fisch kochen“, hat uns Anne Gerd vom Lofoten Guesthouse mit auf den Weg gegeben. „Nichts schmeckt besser als fangfrischer Kabeljau.“ Meine Bedenken, dass ich kein Händchen für die Fischzubereitung habe, hat Anne Gerd im Nu zerstreut. „Das ist kinderleicht.“ Sie erklärte mir die Zubereitung und packte uns die nötigen Zutaten in einem kleinen Tütchen ab. Damit stand der Kabeljau nun unwiderruflich auf unserem Speiseplan.
Wir machten uns auf nach Hamnøy auf Moskenesøy, der wildesten der Lofoten-Inseln. Hier hatten wir uns stilecht in Fischerhütte Nr. 12 von Eliassen Rorbuer einquartiert – urgemütlich. Fehlte nur noch der Fisch, den wollten wir im Nachbarort Reine erstehen.
Spontane Führung durch die Fischfabrik
Nach unserer Bootsfahrt auf dem Reinefjord verwies man uns an die lokale Fischfabrik, um unseren Fisch zu kaufen. Dort trafen wir auf einen lustigen Dänen, der uns spontan zu einer Führung durch die Fischfabrik einlud. Etwas überrascht willigten wir ein, und ehe wir es uns versahen, stapften wir bereits durch fischige Wasserlachen in der Fabrikhalle. „Seit 20 Jahren komme ich jedes Jahr hierher zum Angeln“, erklärte uns unser Spontan-Guide in gutem Deutsch. „Ich kenne den Besitzer und die Fabrik sehr gut.“
Unsere Führung begann beim Entladen der Fischerboote. Die Fisch-Container wurden über riesigen Trichtern ausgekippt, so dass der Kabeljau auf ein Fließband gelangte und in die Fabrikhalle transportiert wurde. Auf dem Weg verlor er seinen Kopf und wurde auf der Bauchseite aufgeschlitzt. In der Halle erwarteten Männer und Frauen in leuchtend gelber Gummimontur die Fische, deren Innereien sortiert wurden: Die Fischeier in den linken Behälter, die Leber in den rechten Kasten. Anschließend fuhr der Kabeljau weiter zu einer Sortiermaschine, die ihn entsprechend seiner Größe in unterschiedliche Kisten einsortierte. Per Gabelstapler gelangten die Behälter ans andere Ende der Halle, wo die Fische für den Export vorbereitet wurden. Zusammen mit Unmengen von Salz wurden sie in Fässer gefüllt, die nach Italien, Portugal, aber auch Frankreich, Deutschland und Spanien geliefert werden.
In der Nachbarhalle wurden die Fischköpfe für den Export nach Afrika vorbereitet. „In Nigeria wird daraus Fischsuppe gekocht“, erklärte uns unser dänischer Guide. „Die ist sehr proteinreich.“ [Wer diesen Gedanken vielleicht schon unappetitlich findet, sollte die nächsten drei Sätze überspringen.] Die Fischköpfe wurden mit Schwung auf einer Art Dönerspieß aufgespießt, an dessen Ende ein Seil befestigt war. Der Spieß wurde anschließend herausgezogen, so dass die Fischköpfe wie Perlen auf dem Seil aufgereiht waren. Gabelstabler beförderten die Kisten mit den Fischkopfketten zu den Gestellen, wo Arbeiter sie für den Trockenprozess aufhängten.
„Noch ekeliger ist das Herausschneiden der Fischzunge aus den Köpfen“, lachte unser Guide. „Das machen die Schüler, die sich etwas Taschengeld dazuverdienen möchten.“ Da soll sich in Deutschland noch mal einer beschweren, der zur Taschengeldaufbesserung Zeitung austrägt!
Kabeljau filetieren für Anfänger
Nachdem mir der Appetit eigentlich schon etwas vergangen war, machte unser dänischer Führer den Besitzer der Fischfabrik ausfindig. 50 NOK später hielten wir eine Plastiktüte mit einem dicken Kabeljau in der Hand und stapften, nach Fischjauche miefend, zurück zu unserem Auto. Unsere Fischbeute hatten wir zwar, aber wie wurden aus dem glitschigen Ungetüm mit Schwanz, Flossen und Gräten nun mundgerechte Fischstäbchen?
Zurück in unserer Rorbu in Hamnøy hatte Jan die rettende Idee: Youtube.
Wir suchten und fanden ein Video, in dem recht anschaulich gezeigt wurde, wie man einen Kabeljau filetiert. Man braucht dazu nur ein richtig scharfes Filetiermesser, erklärte der Fischer in dem Video. Wir hatten ein stumpfes Brotmesser im Angebot – man nimmt, was man kriegen kann. Äußerst bemüht und streng nach Youtube-Anleitung verstümmelten wir den Fisch, frei nach dem Motto „nicht schön, aber selten“. Und hey, fürs erste Mal und unter verschärften Bedingungen haben wir uns gut geschlagen.
Anne Gerd`s Fischrezept
Die Zubereitung des Kabeljaus war, wie Anne Gerd versprochen hatte, ein Kinderspiel. Einen Topf mit reichlich Wasser aufsetzen, gut salzen sowie Pfefferkörner und Lorbeerblätter hinzugeben. Wenn das Wasser kocht, wird der in Stückchen zerlegte Kabeljau hinein gegeben. Der Topf wird nun sofort von der heißen Herdplatte genommen und der Fisch im heißen Wasser ziehen gelassen. Fertig! Auf Anne Gerd`s Empfehlung gab es dazu Kartoffeln mit Ei: Zwei gekochte Eier werden gehackt, in etwas Butter angebraten und anschließend über die Kartoffeln gegeben. Als weitere Beilage haben wir Möhren gedünstet. Ein echter Gaumenschmaus!
Die Geschichte der Fischerei zum Anfassen
Wer nicht gerade das Glück hat, zu einer Fischfabriksführung eingeladen zu werden, sollte auf jeden Fall das Fischereimuseum in Å besuchen. Å i Lofoten ist ein 100 Einwohner kleiner Ort mit großer Fischereigeschichte. Er liegt ganz am Ende der E10. Das Fischereimuseum gibt einen wunderbaren Einblick in die Geschichte des Lofotenfischfangs: Von den verschiedenen Fangtechniken und den staatlichen Reglementierungsmaßnahmen über die Tranherstellung bis hin zum Leben der Fischer. Die ursprünglichen Gebäude samt Inventar wie die Trankocherei, Schmiede oder Bäckerei nehmen den Besucher mit in damalige Zeiten.
Ein Muss für jeden Lofoten-Urlauber sind natürlich auch die vielen, kleinen Fischerdörfer, die auch heute immer noch etwas von ihrer Geschichte und ihrem ursprünglichen Charme bewahrt haben: Henningsvær, Nusfjord, Tind, Sørvågen, Moskenes, Reine und Hamnøy. Leider sind im Winter die Bürgersteige vielerorts hochgeklappt, dennoch lohnt es sich, durch die kleinen Örtchen zu schlendern. Immer wieder tun sich wunderschöne Fotokulissen auf.
Gerne hätten wir in einem der gemütlich aussehenden Cafés in Henningsvær, dem „Venedig des Nordens“, eine heiße Schokolade getrunken und das uns empfohlene Zimtgebäck probiert, aber im Winter haben die Geschäfte nur an wenigen Tagen geöffnet. Schade. Vielleicht ändert sich das ja zukünftig, wenn mehr Gäste auch im Winterhalbjahr die raue Schönheit der nordnorwegischen Inselwelt erkunden. Im Sommer sollen die kleinen Fischerorte ja regelrecht von Touristenmassen überrollt werden. Einziger sichtbarer Beweis dafür ist dieses Schild:
Das ist definitiv schlimmer als Zeitungenaustragen ;-)
Aber ein sehr authentisches Erlebnis mit tollen Bildern.
Danke, Tabitha! Leider habe ich keine Fotos von der Fischfabriksführung, aber da die inoffiziell war, wollte ich unseren Spontan-Guide besser nicht in Schwierigkeiten bringen.
Netten Blog habt ihr übrigens!
Laut dem dortigen Fischerimuseum verdienen die Schüler 3000Nok die Stunde, also etwas unter 300€, nicht schlecht und mit Zeitungsaustragen zumindest finanziell nicht zu vergleichen.
Hallo Akun,
ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Hausnummer von 3000 NOK stimmt. Und wenn doch, dann kündige ich meinen Job und wandere auf die Lofoten aus. Wenn ich dort die vier Monate der Skreisaison stundenweise Zungen heraus schneide, habe ich für den Rest des Jahres ausgesorgt, und zwar mit dickem Polster :-)
LG, Nicole