Seit ich Fotos von der Trolltunga gesehen habe, war mir klar: Da muss ich hin! Die etwa 10 m lange Felsnase, die rund 700 m über dem künstlich angelegten Stausee Ringedalsvatnet ins Nichts ragt, übte eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Schon bei unserer Trekking- und Rundreise in 2011 hörte ich die „Trollzunge“ förmlich nach mir rufen, bei unserem 2013er Roadtrip gab ich ihren Rufen endlich nach.
Låtefossen: Kurzer Stopp am Zwillingswasserfall
Auf dem Weg nach Odda am Südzipfel des Hardangerfjords passierten wir noch eine Sehenswürdigkeit, die wir in 2011 auslassen mussten: Den berühmten Zwillingswasserfall Låtefossen. 165 m stürzen die tosenden Wassermassen von der Hardangervidda hinab, um im Tal den Fluss Grønsdalslona zu speisen. Ein imposantes und feuchtes Schauspiel!
Wir sind den schmalen Weg neben dem rechten Arm des Låtefossen zu einer der Abbruchkanten des Wasserfalls hinauf gewandert gekraxelt – ein ziemlich glitschiges Unterfangen, das sich aber gelohnt hat. Der Lärm des herabstürzenden Wassers war ohrenbetäubend, der Druck der Wassermassen förmlich spürbar, und die Gischt hüllte uns in eine feuchte Nebelglocke. Einmal mehr wurde mir bewusst, wie stark und rau die Kräfte der Natur sind.
Basislager & Anfahrt
Als wir Odda erreichten, regnete es in Strömen. Nennt mich Weichei, aber bei der Sintflut verspürte ich keine Lust, im Zelt zu nächtigen. Wir steuerten die Touristeninfo an, um uns auf dem hiesigen Campingplatz eine Hütte zu reservieren. Fehlanzeige! Auch sonst war komplett Odda ausgebucht. Die nächste freie Alternative bot der schöne Campingplatz in Lofthus, den wir bereits aus 2011 kannten. Matschübernachtung oder Fahrerei? Wir wählten Letzteres. Vor und nach der 8 – 10 Stunden langen Wanderung zur Trolltunga wollte ich uns gerne im Trockenen wissen.
Apropos Wanderung, war die überhaupt möglich bei dem Wetter? Nachdem wir den Kjerag nur im Blindflug erreicht haben, hatte ich Sorge, dass die Trolltunga-Tour buchstäblich ins Wasser fällt. In der Touriinfo machte man uns aber Mut: Der morgige Tag sollte zwar bewölkt, aber nur mit einzelnen Regenschauern durchzogen sein, bevor die nächste dicke Schlechtwetterfront Einzug hielt. Wir wollten unsere einzige Chance nutzen.
Am nächsten Morgen fuhren wir (für unsere Verhältnisse) früh von Lofthus nach Tyssedal, wo wir in Richtung Skjeggedal abbogen. Gut 45 Minuten dauerte die Autofahrt entlang des Hargangerfjords und hinauf zum kostenpflichtigen Parkplatz in Skjeggedal, wo die Wanderung startet.
Herausforderung: Treppe bei der Mågelibanen
Mein Blick schweifte ehrfürchtig die ewig lang erscheinende Holztreppe neben der alten Mågelibanen hinauf. Die 1911/12 erbaute Standseilbahn überwand auf 985 m Länge einen Höhenunterschied von 415 m – und das bei maximal 42° (also 93% !) Steigung! Früher transportierte die Bahn Bauarbeiter und Ausrüstung für den Bau eines Kraftwerks hinauf in die Hardangervidda, später erleichterte sie den Wanderern den Weg zur Trolltunga. Im Jahre 2011 wurde die Mågelibanen aus Sicherheitsgründen geschlossen, daher blieb uns nichts anderes übrig, als die 2.500 Holzstufen entlang der alten Bahnschienen hinaufzusteigen. Au Backe! Spontan kam mir der Titel „Stairway to Heaven“ in den Sinn, und ich hoffte inständig, dass diese vor uns liegende Strapaze uns mit einem himmlischen Erlebnis belohnen würde. Ich ging noch mal schnell Angst-Pipi machen, bevor wir gegen 9.30 Uhr endlich abmarschbereit waren.
Der Aufstieg war heftig! Er verlangte nicht nur Kondition, sondern auch eine unheimliche Konzentration. Die Holzstufen waren feucht, uneben und die Abstände zwischen ihnen unterschiedlich groß. Bloß nicht stolpern oder ausrutschen, dachte ich mir, während ich schnell das Bild von mir als menschliche Bowlingkugel wegschob, die die nachfolgenden Wanderer gnadenlos zurück ins Tal kegelte. Immer wieder legte ich kurze Verschnaufpausen ein, bevor ich den nächsten Schwung Treppenstufen in Angriff nahm. Nach etwa 50 Minuten erreichten wir nass geschwitzt, aber stolz und glücklich unser erstes Etappenziel, den Mågelitopp.
Wanderung über das Tyssedalsfjell
Die folgenden etwa 10 km Wegstrecke waren vergleichsweise leicht und angenehm zu laufen. Zuerst durchquerten wir eine grüne Hochebene mit lauter Holzhütten (wer wohnt hier bzw. macht im Nirgendwo Urlaub?), anschließend mussten wir nochmals 200 Höhenmeter hinaufsteigen, bevor der weitere Weg sich bei nur leichtem Bergauf und Bergab durch die herrliche Gebirgslandschaft schlängelte. Ein paar vereinzelte Altschneefelder sowie einige Matschpassagen waren schon die größten Hürden, die es zu überwinden galt. Ansonsten hielten uns eigentlich nur die Fotostopps für die immer wieder phantastischen Ausblicke auf den Ringedalsvatnet und das Tyssedalsfjell auf.
Je näher wir der Trolltunga kamen, desto diesiger, nebeliger, feuchter und kälter wurde es. Nicht schon wieder! Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als sich mir schließlich dieser Anblick bot:
Ich auf der Trolltunga – ein Traum geht in Erfüllung!
Für mich gab es nun kein Halten mehr. Ich musste UNBEDINGT auf die Felsnase, jetzt sofort! Während Jan und unser Weggefährte Volker nach den 4,5 Stunden Wanderzeit erst mal eine Verschnaufpause einlegten, stürmte ich die Trolltunga. Ich stieg eine kleine Eisenleiter hinab, kletterte über ein paar Felsblöcke, und dann lag die 10 m lange Felsnase vor mir. Ehrfürchtig schritt ich Meter um Meter weiter nach vorne – wow! Vor mir eröffnete sich ein Bilderbuchpanorama: Der tiefblaue Ringedalsvatnet, eingerahmt vom mit Restschnee bedeckten Tyssedalsfjell. Jawoll! Einer meiner Wanderträume hatte sich soeben erfüllt.
Nach der Pflicht folgte nun die Kür: Natürlich wollte ich mich noch ganz an die Spitze der Trolltunga setzen und meine Beine über dem Abgrund baumeln lassen. Überraschenderweise war das mit weniger Muffensausen verbunden als auf dem Preikestolen. Die Trollzunge geht leicht bergauf, so dass ich nie wirklich das Gefühl hatte, ich könnte so einfach hinunter purzeln.
Der Massenauflauf hielt sich mal wieder in Grenzen, einer der Vorteile des durchwachsenen Wetters. Wir nutzten das natürlich gnadenlos aus und legten diverse Fotosessions auf der Trolltunga ein.
Rückweg mit Lichtblicken
Nach einer guten Stunde waren wir dermaßen durchgefroren, dass wir den Rückweg antraten. Durch den erneuten Regen war der Weg etwas matschiger und rutschiger geworden, insgesamt aber immer noch gut begehbar.
Nach etwas über 3,5 Stunden erreichten wir die Bergstation der Mågelibanen, wo die letzte Herausforderung für heute auf uns wartete. Runter gehen ist einfacher als hoch gehen, sollte man vermuten. Nicht ganz! Bei einem Neigungswinkel von 42° war mir schnell mulmig zumute.
Ich nahm nochmals alle Konzentration zusammen, fand flott einen guten Geh-Rhythmus und hatte die 2.500 Stufen nach einer halben Stunde bezwungen. Ich war k.o., gleichzeitig aber auch stolz, glücklich und zufrieden. Und ich freute mich auf die Dusche und die trockene Hütte, die in Lofthus auf uns warteten.
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Die Wanderung zur Trolltunga ist mit etwa 22 km und 8 – 10 Stunden Gehzeit sehr lang. Sie stellt zwar keine besonderen technischen Anforderungen an den Wanderer, aber sie erfordert eine gute Kondition, weshalb ich die Tour als „schwer“ einstufe. Die Tour ist ca. von Juni bis September begehbar, aktuelle Steckeninfos hält die Touristeninformation in Odda bereit.
Momentan wird (leider) eine Straße von Skjeggedal hoch zum Mågelitopp gebaut, so dass der anstrengende Aufstieg über die Holztreppen der Mågelibanen zukünftig entfällt und die Wanderzeit sich um 2 Stunden verkürzt. Bereits jetzt sind die Treppen der Mågelibanen gesperrt und durch einen leichteren Alternativaufstieg ersetzt worden. Für aktuelle Infos zur Trolltunga-Wanderung sowie weitere Wandertipps für die Hardanger-Region empfehle ich euch die Webseite von Gisela, einer in Odda lebenden deutschen Auswanderin.
Hände hoch: Wer war schon mal auf der Trolltunga? Wie war`s? Ich bin besonders neugierig auf Erfahrungen bezüglich des neuen alternativen Aufstiegs zum Mågelitopp.
Hallo deine Berichte finde ich toll.Ich habe eine Frage… Die letzten Meter auf die Zunge sind mit einer Leiter verbunden. Mein Hund kann keine Leiten begehen. Kann ich mit ihm trotzdem auf die Zunge? Kann er die Leiter umgehen. Lg
Danke, Anna :-)
Wenn ich mich recht erinnere, ist es eher nicht möglich, die Leiter zu umgehen. Es sind aber auch nicht sooo viele Stufen, so dass es evtl. möglich ist, deinen Hund zu tragen (einer reicht den Hund von oben an, der andere nimmt ihn entgegen). Im Notfall müsste dein Hund oberhalb der Zunge warten, während du das Erlebnis auf der Trolltunga genießt.
Liebe Grüße zurück!
Hallo liebe Ausreißerin,
vielen Dank für deine tollen Berichte und die zahlreichen, schönen Bilder!
Ich werde den gesamten Juli mit dem Auto durch Südnorwegen reisen und überwiegend im Zelt schlafen. Gelegentlich möchte ich mir eine Hütte gönnen. Das Schöne an Norwegen ist, dass man nicht unbedingt den gesamten Aufenthalt im Voraus planen muss, im Gegenteil. Es ist einfach wahnsinnig toll, umher zu fahren und spontan zu halten und die Ruhe und die Natur zu genießen.
Allerdings steht dieses Jahr die Trolltunga auf meinem Zettel. Ich habe großen Respekt vor der Wanderung und den Gefahren. Ein bisschen Bange wird mir bei dem Gedanken, dass die Wanderung im Juli von aberhunderten Touristen bevölkert sein wird. Darauf stehe ich nicht so, aber so ist es eben.
Nochmals: Vielen, lieben Dank für die tollen Einblicke!
Liebe Grüße,
Julian
Lieber Julian,
die Spontaneität und Flexibilität gefallen mir neben der Natur auch am besten an Norwegen. Ich wünsche dir ganz viel Spaß bei deiner Südnorwegen-Tour!!
Respekt vor einer Wanderung ist doch eigentlich die beste Voraussetzung für ein schönes und sicheres Erlebnis. Wenn du die Wahl hast, geh die Tour am besten an einem bewölkten Tag, das erhöht die Chance, nicht in der Masse unterzugehen. Wir hatten damals echt Glück und keine Menschenmassen, allerdings ist die Wanderung durch den Wegfall der Stufen der Maglibanen in der Zwischenzeit einfacher zugänglich geworden. Noch ein Tipp: Von der Trolltunga aus erreicht man in einer weiteren halben Stunde den Preikestolen (nicht den berühmten, eine kleinere Ausgabe). Auf diesem Teilstück dürfte auch jetzt noch weniger los sein, und die Aussicht soll sehr lohnenswert sein.
Liebe Grüße,
Nicole
Vielen Dank für den tollen Artikel und die schönen Bilder. Der Bericht hat uns sehr gut auf unser Norwegenabenteuer und die Wanderung zur Trollzunge vorbereitet. Als wir unsere Wanderung Ende August gemacht haben wurde kurz vorher noch ein neuer Parkplatz oben auf dem Berg eröffnet. Der Weg über die Magelibanen kann nicht mehr gegangen werden. Hier führt im Zickzack die neue Straße hinauf zum Parkplatz. Wer mit dem Auto fährt sollte am besten hier parken. Das spart einem einige Kilometer und macht die Wanderung am Anfang deutlich einfacher. Alle Infos haben wir in unserem Blog zusammengefasst:
http://roadtripsta.com/trolltunga_tipps_zur_anreise_und_zum_parken/
Viele Grüße
Sabrina & Andreas
Danke schön für das liebe Feedback! Schön, wenn meine Berichte einen praktischen Nutzen haben <3
Eure Erfahrungen lesen sich.... mh... wie soll ich sagen? Ich bin schon froh, die Tour noch gemacht zu haben, als der Wanderweg noch nicht so gut erschlossen war. Die Menschenmassen, die heute zur Trolltunga laufen, sind einfach ganz andere als noch in 2013. Zum Glück bietet Norwegen aber so viele schöne Ecken, das man immer auch etwas schönes Ruhiges findet.
Viele Grüße,
Nicole
Wenn du dich entscheiden müsstest: Trolltunga oder Preikestolen. Was würdest du wählen?
Ui, eine Gretchenfrage :-) Kjerag. Nee, im Ernst, beide Wanderungen lohnen sich absolut! 2013 hätte ich noch Trolltunga geantwortet, da weniger frequentiert und mit den Treppen der Mågelibanen und der Länge der Tour herausfordernder. Wenn ich heute eine der beiden Touren erneut gehen würde, entschiede ich mich für den Preikestolen. Bei der Trolltunga hätte ich Angst, dass die neue Route weniger Spaß macht und ich mir dadurch die schönen Erinnerungen vermiese.
Danke für den Tipp. Wir sind im Februar in Norwegen (Ja, sehr kalt) und haben nur zwei Wochen Zeit. Deshalb meine Frage. Die erste Woche werden wir auf den Lofoten verbringen und die Zweite mit einem Mietwagen ab Oslo starten. Von daher müssen wir uns gut überlegen, was wir sehen wollen. Da nach meinen Recherchen Preikestolen weniger Zeitintesiv ist, werden wir wohl diesen Trek wählen. Wir haben auch Pakete gefunden, in denen beide inkludiert sind. Ich denke jedoch, es gibt noch andere schöne Orte, die wir mitnehmen können. Falls du noch Tipps hast, immer her damit. Wir werden ab Oslo starten und nach 8 Tagen wieder in Oslo ankommen.
Wow, da habt ihr euch ja etwas vorgenommen. Wenn ihr im Februar in Norwegen unterwegs seid, stellt sich die Frage aber gar nicht. Die Trolltunga wird explizit NICHT empfohlen, siehe hier: https://www.visitnorway.de/reiseziele/fjord-norwegen/die-region-hardangerfjord/listings-hardanger-fjord/trolltunga/37178/. Zum Preikestolen gibt es wohl auch im Winter geführte Touren, auf eigene Faust würde ich das auf keinen Fall machen!
Auf den Lofoten war ich selbst auch schon im Februar, schau mal unter „Winterreisen“, vielleicht ist dort noch der ein oder andere Tipp für euch dabei. Ich persönlich würde bei zwei Wochen Reisezeit im Norden bleiben und neben den Lofoten die Vesterålen und die Lyngen Alpen mitnehmen. Sehr lohnenswert!
Wir wollten eh eine geführte Tour buchen. Trolltunga ist im Februar damit wohl auch kein Problem. Aber wir tendieren eh zu Preikestolen.
Da meine Freundin und ich relativ wenig Urlaub haben, wollen wir möglichst viel vom Land sehen. Ich denke, so finden wir einen guten Kompromiss und wenn es uns gut gefällt, werden wir sicher nochmal irgendwann im Sommer wieder kommen.
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