Welch eine Traumaussicht! Ich lasse meinen Blick über die Caldeira das Sete Cidades schweifen. Der riesige Vulkankessel misst einen Umfang von über 12 Kilometern. In seinem Innern mache ich zwei weitere, kleinere Calderen aus und natürlich den Lagoa das Sete Cidades, den größten Kratersee der Azoren. Der hintere Teilsee glitzert blau, der vordere, kleinere schimmert grünlich. Das grüne Antlitz kommt durch den dichten Nadelwaldbewuchs des Kraterrands, den der Lagoa Verde widerspiegelt.
Es war einmal…
Mir gefällt die Erklärung einer alten Legende für die Farbgebung der Seen besser. Demnach hatten sich einst eine Prinzessin und ein armer Hirte ineinander verliebt, der König wollte seine Tochter aber lieber standesgemäß verheiraten. Zum Abschied trafen sich die beiden Verliebten ein letztes Mal genau an der Stelle, an der die Seen durch einen schmalen Durchlass miteinander verbunden sind. Sie weinten bitterlich, und die Tränen aus den blauen Augen der Prinzessin formten den Lagoa Azul, die der grünen Hirtenaugen den Lagoa Verde. Hach!
Okay, Kitsch beiseite. Schließlich ist der Ausblick auf die herrliche Landschaft selbst schon fast kitschig. Kein Wunder jedenfalls, dass die Caldeira das Sete Cidades zu den Hauptattraktionen eines Azoren-Besuchs zählt.
Room with a view
Hier, genau am Vista do Rei, möchte ich gerne mein Zelt aufschlagen. Morgens in aller Einsamkeit aufwachen. Dem Vogelgezwitscher lauschen. Hinunter auf die 300 Meter tiefer liegenden Seen blicken. Die zarten Nebelschleier im Tal beobachten, wie sie nach und nach von der Morgensonne aufgelöst werden. Eine traumhafte Vorstellung – mit der ich nicht alleine bin. Jemand hatte sie schon vor mir, nur hat dieser Jemand statt Zelt mal eben einen 5-Sterne-Bunker mitten in die Traumkulisse gepflastert. Und das sieht dann so aus:
88 Zimmer, zwei Restaurants, drei Konferenzräume, Disco, Bar, Frisör und eine Bank. Mitten im Nichts. Nicht, dass ich mich mit 5-Sterne-Urlaub auskenne, aber ich hätte jetzt vermutet, dass Spa, Wellness und ein Golfplatz für gehobene Reiseansprüche eher von Belang sind als nur eine grandiose Aussicht. Und blöderweise ist ja nicht mal die sichergestellt, denn so schönes Wetter wie heute herrscht am Vista do Rei eher selten. Über 200 Regentage soll es hier geben, und die meiste Zeit sind die Berge in dichten Nebel gehüllt, so dass der geneigte Hotelgast mit einem vornehmen Grauschleier vor seinem Fenster Vorlieb nehmen muss. Es wundert mich daher nicht, dass das Monte Palace pleite ging, eher wundert es mich, dass es überhaupt 19 Monate geöffnet war (April 1989 – November 1990). Die folgenden zwanzig Jahre wurde das Gebäude von einem Sicherheitsmann bewacht, mit der leisen Hoffnung, man möge einen Käufer für das Hotel finden. Seit 2010 verfällt die Bausünde – unter tatkräftiger Mithilfe von Vandalen – leise vor sich hin. Ein trauriges Schauspiel. Ein völlig skurriler Ort, der mich fast mehr in seinen Bann zieht, als der Grund seines Daseins, nämlich die königliche Aussicht auf Sete Cidades.
Hotelrundgang mal anders
Wir steigen die Stufen empor zum Eingang des Monte Palace. Noch ein paar Schritte, und wir stehen in der Hotellobby. Ich bin fassungslos. Ich wusste, was mich erwartet, zumindest faktisch. Wie es sich anfühlt, wusste ich aber nicht. Feucht. Kühl. Beklemmend. Alles Schöne – die Natur, die Sonne, die Aussicht, das Leben – sind draußen geblieben. Hier drinnen weht ein kühler Hauch der Vergangenheit.
Ich habe das Bedürfnis, alleine weiter zu gehen. Vorsichtig wate ich durch die mit Trümmern gespickten Pfützen. Verstohlen werfe ich einen Blick in einen Raum. Vielleicht eine ehemalige Restaurantküche? Den Speiseraum erkenne ich sofort. Säulen und Bögen sind unverkennbare Hinweise. Welche Farben das Restaurant wohl mal gehabt haben mag?
Ich steige die Treppen hinauf zu den Zimmern. Ein nackter, rechteckiger Raum liegt vor mir. Es gibt zwanzig Möglichkeiten, wie das Hotelzimmer mal eingerichtet gewesen sein mag, mir fällt gerade keine einzige ein. Auch meine Phantasie ist draußen geblieben, bei den schönen Dingen.
Mein Blick wandert zum Balkon, in den der Raum mangels Fenstern nahtlos übergeht. Da ist sie wieder, die Traumaussicht. Dieses Mal fühlt sie sich aber anders an. Leer. Traurig. Surreal.
Es zieht mich wieder hinab, daher steuere ich die breite Wendeltreppe auf der anderen Seite an. Ihr gegenüber liegt der ehemalige Fahrstuhl. Große Löcher, die ins Nichts führen. Einige sind notdürftig mit improvisierten Absperrbalken gesichert, andere schreien stumm: „Lebensgefahr!“
Unten angekommen gebe ich meinem Bedürfnis nach etwas Licht und Wärme nach. Ich nehme den hinteren Ausgang, der mich zum Parkplatz führt, doch auch der Sonnenschein vermag der Ruine kein freundlicheres Gesicht zu verleihen.
Normalerweise liebe ich es, Lost Places zu entdecken und zu fotografieren, für heute reicht es mir jedoch. Auch Lottas „Das Haus ist kaputt. Das kann man nicht mehr heile machen. Das ist aber schade!“ kann ich nicht mehr hören. Schade ist gar kein Ausdruck. Schande trifft es eher. Noch ein Mal durchqueren wir das Monte Palace. Die Ruine, die keine Seele zu haben scheint, wahrscheinlich nie eine hatte. Trotzdem hat sie dieses Schicksal nicht verdient. Nackt, ausgeweidet und beschmiert lassen wir sie zurück. Bloß gestellt durch unsere Blicke, gedemütigt durch unsere Fotos.
Praktische Informationen
Das Monte Palace ist überhaupt nicht zu verfehlen. Es befindet sich unmittelbar am berühmten Aussichtspunkt Vista do Rei, der sich an der gut ausgeschilderten Straße 9-1 nach Sete Cidades befindet. Weitere Informationen über das Monte Palace, seine Planung und Konstruktion sowie Bilder, wie es zu „Lebzeiten“ mal aussah, erhaltet ihr in dem spannenden Bericht Azorean Palace in the Clouds. Unbedingt lesenswert! Und wer etwas Geld auf der hohen Kante hat: Für schlanke 1,5 Millionen Euro ist das Monte Palace aktuell zu haben.
Wer hat das verlassene Luxushotel schon mal besucht und mag mir von seinen Erlebnissen und Eindrücken berichten? Ähnliche Erlebnisse an anderen Lost Places lasse ich auch gelten. Erzählt mal!
Wir waren von Mitte September bis Anfang Oktober 2017 auf Sao Miguel und haben die Hotelruine zufällig entdeckt, als wir an einem Nebeltag nach Sete Cidades fuhren. Auf dem Rückweg haben wir angehalten und uns die Anlage angeschaut. Im Nebel wirkt der Komplex besonders geisterhaft, aber auch noch viel trostloser als bei Sonnenschein. Den Besuch bei Sonnenschein haben wir dann ein paar Tage später nachgeholt, um vom oberen Stockwerk einen grandiosen Blick auf den Lagoa das Sete Cidades zu haben.
Hallo Eva, als ich am Monte Palace war, dachte ich noch, wie genial ein Besuch an einem Nebeltag sein muss. Beides erlebt zu haben, Nebel und Sonnenschein, darum beneide ich euch glatt etwas :-)
Viele Grüße, Nicole
Hallo Nicole, das war tatsächlich etwas Glück an einem Tag mit schlechter Sicht. In Ponta Delgada war’s an dem Vormittag noch klar, aber je weiter wir nach oben kamen, um so mehr nahm die Suppe zu. Witzigerweise war die Caldera Sete Cidades unter einer dicken Nebelschicht selbst klar und die Sicht war frei. Hätten wir zu dem Zeitpunkt die App mit den Webcams schon gehabt, wären wir wegen der schlechten Sicht wahrscheinlich gar nicht hochgefahren. Google Street View zeigt übrigens den Zustand des Hotels im Mai 2010 kurz vor der Plünderung und Vandalierung, also noch recht gut erhalten, mit allen Fenstern und kompletten Schriftzug am Treppenturm. Aber ich bin nicht begeistert von der Idee, die Ruine abzureißen und in einen Campingplatz zu verwandeln. Das würde es richtig schlimm machen. Soll sich die Natur doch dieses Stück, das ihr entrissen wurde, als künstlichen Felsen nach und nach zurück erobern.
Hallo,
Wir kommen gerade von diesem lost Place. Wir haben an der Kreuzung,aus sete cidades kommend, an der es rechts zum view point geht, geparkt. Von dort aus haben wir einen trampelpfad durch den Wald genommen. Allein der weg war ein Abenteuer und den Ausflug wert. Am Ende des Weges kommt man zu der Hotel Ruine. Nicht am Eingang sondern am Ende des langen flügels auf dem obersten Stockwerk. Wir sind dann durch das Hotel gelaufen… krasses Gefühl. Am Ende haben wir die Treppe aufs Dach genommen. Ein Wahnsinns Ausblick!
MfG Christian
Hallo Christian,
das klingt ja super! Der Moment, wenn der Wald den Blick auf die Ruine frei gibt, muss wirklich einmalig sein.
Viele Grüße,
Nicole
Wir waren 2007 das letzte Mal auf den Azoren. Damals war das Hotel noch bewacht, sah aber schon genauso verfallen aus wie heute. Dort ist faktisch immer Nebel. Mir ist schleierhaft warum man seit fast 30 Jahren hofft das Teil wiederzubeleben. Abreißen und den Berg renaturieren.
Da hast du wohl recht, wiederbeleben macht mal so gar keinen Sinn. Allerdings finde ich, dass die Ruine als Mahnmal für bzw. gegen selten dämliche Tourismusprojekte stehen bleiben sollte. Die Natur holt sich das Fleckchen Erde auch von alleine Stück für Stück zurück.
Stand 9.September 2018: Die Ruine ist inzwischen abgesperrt, die Zugang über den Parkplatz ist mit Mauer und Gittertor versschlossen, die Tiedgarage ist zugemauert, ebenso der kleine Treppenaufgang auf der Seite von Sete Cidades. Überall hängen Warnschilder, die das Betreten untersagen. Trotzdem finden die interessierten Leute noch genug Schlupflöcher, um auf das Gelände und in die Ruine zu gelangen. Man kann die Mauer am Parkplatz auch ohne große sportliche Ambitionen umklettern. Entsprechend viel Besucher waren auch in der Ruine, die ein Jahr nach unserem Besuch 2017 schon merklich verfallener wirkt. Das mag der Grund sein, warum der Zugang zur Ruine zumindest einigermaßen erschwert wurde. Zudem wurde uns erzählt, daß chinesische Investoren das Anwesen gekauft hätten und das Hotel wieder für vornehmlich chnesische Touristen renovieren — eher neu bauen — wollten. Einfach nur Gerüchte oder ein neues Kapitel des alten Irrwitzes?
Das gibt’s ja nicht! Ganz lieben Dank für die Info!! Ich habe direkt mal gegoogelt und mehrere Meldungen gefunden, die bestätigen, dass chinesische Investoren die Ruine gekauft haben und sie wieder eröffnen wollen (z.B. https://www.lonelyplanet.com/news/2018/05/22/hotel-monte-palace-sao-miguel-azores-reopen-2021/). Ich bin gespannt, wie es weitergeht!
Ich habe meine Bilder aus technischen Gründen inzwischen nach Flickr verlagert und um die Bilder aus diesem Jahr ergänzt. Dort sieht man auch das Sperrgitter an der Auffahrt und den zugemauerten Seiteneingang.
https://www.flickr.com/photos/evak_42/albums/72157671546047817
Hallo weiß wer ob die Ruine verkauft wird oder wer sie besitzt
Bitte Email an staller_rolf@outlook.com
Danke im vorraus
Ich war im sommer 2019 dort, zugang war aus dem waldweg (wie oben beschrieben) ohne absperrung möglich… bedrückend,beklemmend, das triffts wohl am ehesten. Krasser gegensatz zum wunderschönen ausblick auf die seen.
Oh ja, mehr Gegensatz geht fast gar nicht :-)
01.09.23
Die Eindrücke die ich heute von diesen Ort gesammelt habe sind unbeschreiblich! Die Grafitis an den Wänden und die Stille war wie in einer SciFi Serie!
Ich persönlich finde es ist einer der geilsten Orte die ich je Besucht habe!
P.S. von der Aussicht auf die zwei Seen gar nicht zu sprechen!!
Ich war heute das erste Mal nach über 4 Jahrzehnten wieder in diesem Hotel.. Als Teenager habe ich dort nach der Eröffnung ein paar Mal gegessen. Viele Male bin ich dort vorbeigefahren und habe den äußerlichen Verfall beobachtet. Der diesen Business case geplant hat, muss damals zu viel geraucht haben….
Ich war 2019 dort, und die Hotelruine beeindruckte mich gleich mehrfach. Warum hörten die Architekten nicht auf die Einheimischen? War der Wunsch, dem Berg ein solches Hotel abzutrotzen, grösser als jede Vernunft?Welche Ironie, dass das Hotel an dem Tag geschlossen werden musste, als die Architekten in Lissabon den Preis für den besten Hotelbau erhielten. Ich suche im Netz immer mal wieder nach neuen Informationen über das Hotel. Dabei bin ich auf einen Roman gestossen, der erzählt, was in diesen mehr als zwanzig Jahren seit der Schliessung des Hotels geschehen sein könnte. Für alle, die sich von diesem lost place berühren lassen, eine überaus empfehlenswerte Lektüre. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Ein Roman, der sich nahtlos mit meinen eigenen Eindrücken verbindet, ROCHA MONTE von Peter Höner