Ich gab mir redlich Mühe, den Daumengashebel meines Schneemobils mit viiiiel Gefühl zu betätigen. Das Schneemobil würdigte meine Mühen allerdings nicht im Geringsten. Rhythmisch hoppelte ich durch die glitzernde Winterlandschaft, für die ich gerade überhaupt keinen Blick hatte. Oh Mann, ob das wirklich so eine gute Idee war? Wäre ich doch besser als Sozius bei Jan mitgefahren, da hätten wir ganz nebenbei auch noch einige Kröten gespart.
Schneemobil, du widerspenstiges Wesen!
Schluss jetzt! Reiß dich mal zusammen, Nicole. Ich richtete all meine Konzentration einzig auf die Dosierung des Gashebels. Mit dem Daumen. Vielleicht wäre ich ja besser darin, wenn ich mehr Playstation spielte. Oder überhaupt Playstation spielte. Die anderen Gruppenmitglieder waren schon einige Meter voraus, ich hoppelte allmählich hinten drein. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die doch nur Minuten gewesen sein können, gewann ich das Gefühl, mehr und mehr Herr der Lage zu sein. Juchu, ich hatte mein Schneemobil gezähmt. Geschmeidig glitten wir durch den Winterwald, den ich nun auch endlich würdigen könnte. Beinahe schon zu sehr. Hastig drückte ich den Bremshebel bis zum Anschlag durch und kam nur knapp hinter meinem Vordermann zum Stehen. Wieder spürte ich ein Hoppeln, dieses Mal war es mein Puls. Glück gehabt. Auch wenn Sallas Slogan „in the middle of nowhere“ lautete, gab es hier andere Verkehrsteilnehmer, und die hatten in diesem Fall Vorfahrt.
Aussicht auf die Fjell-Landschaft
Weiter ging`s. Wir folgten noch ein paar Kilometern den präparierten Schneemobil-Pisten, bis wir schließlich abbogen und uns zwischen Birken und Nadelbäumen einen Berg hinauf schlängelten. Was man in Nordostfinnland halt einen Berg nennt. Ich war jedenfalls froh, dass ich mein Schneemobil samt Gashebel mittlerweile ganz gut im Griff hatte, denn Kurven und unebener Untergrund forderten noch mehr Fahrgeschick. „Reines Lenken reicht nicht aus, die Gewichtsverlagerung des Körpers ist essentiell“, hatte unser Guide von Arctic Circle Safaris im Vorfeld erklärt. Und das machte mir riesigen Spaß. Schwungvoll düste ich den Hang hinauf, und ärgerte mich ein wenig, wenn ich von voraus fahrenden Gruppenmitgliedern ausgebremst wurde.
Oben angekommen bot sich uns ein herrlicher Ausblick auf die weite Fjell-Landschaft. Bäume und Schnee, soweit das Auge reichte. Und ohne das Knattern unserer Schneemobile konnte ich für einen Augenblick die friedliche Stille Lapplands in mich aufsaugen.
Etwas mehr Winter hätte ich mir gewünscht. Einen endlosen weißen Teppich. In weiße Mäntel gehüllte Nadelbäume. Aber wenn man erst Ende März nach Lappland reist, darf man sich über erste Frühlingsanzeichen einfach nicht beschweren. Genügend Schnee für sportliche Winterfreuden war immerhin noch vorhanden. Und wer sich abseits der ausgetretenen Pfade bewegte, kam immer noch gehörig ins Schwitzen.
Nächster Stopp: Russland
Es ging wieder talwärts. Wir steuerten auf den See Onkamojärvi zu, der uns mit seiner riesigen Fläche von 18 Quadratkilometern genügend Raum bot, um endlich mal richtig Gas zu geben. Ich ließ meinem Vordermann einen dicken Vorsprung, bevor ich mutig den Gashebel durchdrückte. Das Gefühl war überwältigend! Diese Mischung aus Leichtigkeit, Anspannung, Freude, Aufregung und Nervenkitzel packte mich völlig. Ich war sicherlich mit 200 Sachen unterwegs, grob geschätzt. Gerade mal 80 km/h zeigte mein Tacho an. Wie Gefühl und harte Zahlen doch manchmal auseinander klaffen können. Egal, das Gefühl zählt.
Mitten auf dem See legten wir einen Stopp ein, denn durch den Onkamojärvi verläuft die finnisch-russische Grenze. Der größte Teil des Sees gehört zu Finnland, der andere Teil zählt zur Osthälfte Sallas, die nach dem Winterkrieg (1939/1940) zwangsweise an die Sowjetunion abgetreten wurde und heute Teil der russischen Oblast Murmansk ist. Mal eben hinüber nach Russland zu fahren, ist übrigens verboten. Für einen Besuch des Nachbarlands sollte man den Weg über die offizielle Grenzstation von Salla wählen und ein gültiges Visum parat haben.
Nachdem wir unser obligatorisches Erinnerungsfoto vor dem Grenzschild geschossen hatten, schlenderte ich ein paar Schritte von der Gruppe weg, um abseits des regen Treibens nochmals die Weite und Stille dieser Landschaft genießen zu können. Nein, gegen eine kleinere Gruppe hätte ich wahrlich nichts einzuwenden gehabt. Ich atmete nochmals tief ein, bevor ich zu meinem Schneemobil zurückkehrte.
Fahrerwechsel nach der Mittagspause: Oje!
Wir verließen den See und tauchten wieder in die endlosen Nadelwälder Lapplands ein. Schon bald erreichten wir unserer heutiges Mittagslager, wo bereits wieder Heißgetränke und die leckeren Grillwürstchen auf uns warteten. Ein letztes Mal. Und irgendwie schmeckte es heute noch einen Tacken leckerer als die letzten Tage.
Nach der Mittagspause stand bei allen doppelt besetzten Mobilen der Fahrerwechsel an, entsprechend schleppend verliefen unsere ersten Meter. Ach, wenn es doch nur die gewesen wären! Im tiefsten lappländischen Winterwald bewegten wir uns im Stop-and-go fort, wie daheim auf der A1 zur Hauptverkehrszeit.
Nach gefühlt endloser Warterei – in der unter anderem das Poser-Foto vom Anfang entstanden ist – passierte ich den Stau-Auslöser. Ein Schneemobil hatte sich um einen Baum gewickelt, bildlich gesprochen. Daneben stand eine aufgelöste Holländerin samt mürrischem Partner und einem der Guides, der Pannenhilfe leisten musste. Oha! Der Rest der Gruppe fuhr weiter. Langsam, aber stetig. Immer wieder musste die Gruppe pausieren. Ein Mal musste ein Schneemobil aus dem Tiefschnee zurück in die Spur gebracht werden. Ein anderes Mal musste eine gestürzte Fahrerin wieder eingesammelt werden. Zum Glück stoppt das Gefährt durch den Totmannschalter ja sofort, wenn der Pilot abhanden kommt.
Als wir den Wald verließen und über offenes Gelände mit mehreren, parallelen Spuren fuhren, nutze ich die Gelegenheit, um ein paar andere Fahrer zu überholen. Ich hatte die ständigen Stopps satt. Ich wollte wieder Fahrspaß genießen, was immerhin für einen Augenblick gelang. Dann wirbelte plötzlich eine dicke Schneewolke in einer Parallelspur vor mir auf. Ein Pärchen hatte es doch tatsächlich geschafft, sich auf gerader Strecke mit dem Schneemobil zu überschlagen. Passiert ist zum Glück keinem etwas. Nur dem Schneemobil. Nummer zwei des heutigen Tages. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, erzählte mir einer der Guides später, „und ich mache das jetzt schon einige Jahre. Hätten die Männer mal bloß ihre Frauen nicht ans Steuer gelassen.“ Was sollte ich jetzt dazu sagen?
Die restliche Strecke der insgesamt 60 Kilometer langen Tour legten wir tatsächlich unfallfrei zurück. Ich sauste schwungvoll über kurvige Waldwege und präparierte Pisten. Das hätte ich mir nach meinem holprigen Start nun wirklich nicht träumen lassen. Am Ende war ich k.o., aber zufrieden. Vor allem war ich sehr froh darüber, dass wir bei diesem Wintererlebnis nicht geknausert und uns trotz des Preises von 155 Euro pro Person die lange Tour gegönnt haben. Teurer war der Ausflug nur für die beiden Pärchen, die die Schneemobile zerlegt haben, denn der Selbstbehalt bei Unfällen beträgt 500 Euro pro Schneemobil. Aua. So ein Schneemobil kostet allerdings auch einen mittleren fünfstelligen Betrag. Bei einer normalen, umsichtigen Fahrweise kann aber eigentlich auch nichts Schlimmes passieren – eigentlich.
Und? Selbst auch schon mal Schneemobil gefahren? Erzähl mal! Falls nicht, kann ich es jedenfalls wärmstens empfehlen!
Ich habe noch nie selbst so ein Geschoss gefahren. Wenn man bei einer Wintertour in Lappland von diesen Dingern überholt wird, bekommt man aber schon mal Lust aufzusteigen. Hoffentlich werde ich die Gelegenheit dazu noch bekommen.
Einfach mal den Daumen raushalten ;-) Scherz beiseite. Plan eine solche Tour unbedingt mal ein, das ist schon ein Erlebnis der besonderen Art.
Viele Grüße!
Super Artikel, das erinnert mich an meinen Winterurlaub in der Schweiz! Sind dort Ski gefahren, aber hatten einen Tagesausflug mit einem Schneemobil und es war super schön. Abends dann nach so einem langen Tag kamen wir in unser Wellnesshotel zurück, gingen noch in die Sauna und danach ins Restaurant. Das war einer der schönsten Tage, an die ich mich erinnern kann. Weiter so, schöner Blog :)
Vielen Dank!