Sechs Tagesetappen, insgesamt 77 Kilometer, führen durch farbenfrohe Vulkanlandschaften, blubbernde und dampfende Geothermalgebiete, endlose Lava-Wüsten, über glitzernde Schneefelder, entlang unzähliger Wasserfälle und durch idyllische Täler. Der Laugarvegur in Verbindung mit der Überschreitung des Fimmvörðuháls-Pass zählt zu den beliebtesten Touren Islands – zu Recht!
Startpunkt: Skógarfoss. Los ging´s!
Mit dem Linienbus fuhren wir eine gute halbe Stunde von Vík bis nach Skógar, dem Ausgangspunkt meiner allerallerersten Trekkingtour.
Ich war freudiger Erwartung, etwas aufgeregt, hibbelig, aber zugleich müde, weil ich erkältungsbedingt nicht sonderlich gut geschlafen hatte. Die beiden Tageswanderungen gestern und vorgestern hatten mir Zuversicht gegeben, dass ich die nötige Kondition für die Trekkingtour besaß – allerdings bin ich noch nie zuvor mit 18 kg Gepäck auf dem Rücken gelaufen. Etwas unbeholfen setzte ich meinen Trekkingrucksack auf und wankte los.
Etappe 1: Aufstieg entlang des Flusses Skógará
Unser Weg führte steil und über zahlreiche Treppenstufen aufwärts. Neben uns fielen die Wassermassen der Skógará tosend 60 Meter in die Tiefe. Ich kam mir auf den ersten Metern wie angesäuselt vor. Immer wieder brachten mich das Gewicht des Rucksacks und der verlagerte Körperschwerpunkt aus dem Tritt. Konzentration war gefragt.
Oben angekommen brannten meine Oberschenkel höllisch. Au weia, das konnte ja noch heiter werden! Zu meiner Erleichterung erholten sich meine Beine auf dem nächsten Wegstück mit nur gemächlicher Steigung flott wieder. Vor uns thronte das isländische Hochland mit seinen weiß glitzernden Gletschern, der Blick zurück reichte bis zum Meer, und links neben uns rauschte die Skógará – welch herrliche Aussichten!
Bald wurde der Weg steiler, stellenweise musste ich die Hände zu Hilfe nehmen, und der Rucksack tat sein Übriges, um mich immer mal wieder aus dem Tritt zu bringen. Schon jetzt dämmerte mir, dass Wanderstöcke vielleicht doch eine sinnvolle Anschaffung gewesen wären.
Je höher wir kamen, desto kühler wurde es. Nebelschwaden zogen über die Landschaft hinweg, tief hängende Wolken hüllten manchen Berg leise in eine weiße Decke ein. Der grüne Teppich, der die rot-braune Vulkanlandschaft überzogen hatte, wurde stetig löchriger. Bald entdeckte ich erste kleine Schneefetzen entlang des Wegs, und irgendwann überquerte ich wackeligen Schrittes mein erstes Schneefeld. Ja, Wanderstöcke schienen wirklich einen praktischen Nutzen zu haben…
Wir wanderten eine ganze Weile abwechselnd über Schotter und Schneefelder. War ich bisher schwerst begeistert über die abwechslungsreiche Landschaft, so wurde meine Laune nun etwas gedämpft. Der Nebel und die Kälte taten ihr Übriges. Auch wenn wir uns „nur“ auf etwas über 1.000 m Höhe befanden, waren die klimatischen Bedingungen vergleichbar mit denen in den Alpen auf 3.000 m Höhe.
Da! Endlich rückte unser Etappenziel, die kleine Berghütte Fimmvörðuhálskáli, ins Blickfeld. Ein neuer Schwung Motivation packte mich, zumindest so lange, bis ich feststellen musste, dass der Weg noch einen ordentlichen Bogen machte. Erschöpft, aber überglücklich erreichten wir nach sieben Stunden unser Nachtlager.
Fimmvörðuháls: Nachtlager zwischen zwei Vulkanen
Die Hütte Fimmvörðuhálskáli liegt auf dem Pass zwischen den beiden Vulkanen Eyjafjallajökull und Mýrdalsjökull (1.116 m). Das kleine Blockhaus ist sehr spartanisch ausgestattet: Pissrinne, Plumpsklo, aber immerhin eine muckelige Ölheizung. Das Wasser, das wir für unseren warmen Tee und zum Kochen brauchten, gewannen wir aus Schnee, den wir in einem gusseisernen Kessel auf dem Ofen schmolzen. Für mich als Trekking-Neuling war dieses Hüttenambiente erst mal gewöhnungsbedürftig, aber an eine Sache habe ich mich sofort gewöhnt: Die Aussicht, diese herrliche, einmalige Aussicht!
Am Abend hatte sich zum Glück der Dunst verzogen, so dass ich beim Zähneputzen einen grandiosen 360°-Panoramablick auf die Vulkanlandschaft genießen konnte. Was für ein grandioser Abschluss meines ersten Trekkingtags! Ich war völlig überwältigt von der landschaftlichen Vielfalt, die Island mir bereits am ersten Tourentag offenbart hat: Wasserfälle, Schluchten, Vulkane, Gletscher. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Island sein Pulver noch längst nicht verschossen hatte! Heute fiel ich aber erst mal glückselig in meine Koje.
Die Nacht war schrecklich. Ich hatte befürchtet, wegen akuten Endorphinüberschusses nicht schlafen zu können, stattdessen hielt mich meine Erkältung wach. Krampfhaft versuchte ich, meine Husterei in Grenzen zu halten, um die anderen nicht zu sehr zu stören – ohne sonderlichen Erfolg. Völlig gerädert, unter heftigstem Gebrauch von Aspirin Complex und mit gehörig schlechtem Gewissen startete ich in den zweiten Tourentag.
Etappe 2: Abstieg in die Þórsmörk
Der zweite Tag begann so, wie Etappe eins geendet ist: Mit Schneefeldern. Ich quälte mich mit wackeligen Knochen über das rutschige Weiß. Ein ums andere Mal geriet ich ins Schlittern und Wanken, bis ich – rums! – auf meinem Allerwertesten landete. Grummelnd setzte ich Wanderstöcke auf meine Einkaufsliste. Gleich nach ordentlichen Wanderstiefeln. Unser „Berater“ hier in der Non-Outdoor-Stadt Dortmund hat uns nämlich Schühchen verkauft, die eher für Wanderungen im Sauerland statt für eine Mehrtagestour durch das isländische Hochland geeignet waren.
Ihr erinnert euch sicherlich noch an den Ausbruch des Eyjafjallajökull im März/April 2010, dessen Aschewolke den Flugverkehr in halb Europa zum Erliegen gebracht hat. Eine der Ausbruchsstellen liegt auf der Fimmvörðuháls-Hochebene. Wer also heute den Fimmvörðuháls-Trail läuft, entdeckt dort zwei neue Krater, Magni und Móði. Angeblich soll man dort sogar die Hitze der Lava immer noch fühlen können. Auf jeden Fall hätte ich große Lust, diese Wanderung irgendwann noch mal zu erleben.
Nachdem wir die Schneefelder hinter uns gelassen hatten, begann der Abstieg Richtung Þórsmörk. Gute 800 Höhenmeter ging es hinunter bis zu dem zerklüfteten und bewaldeten Bergrücken.
Was ich mir als leichte Etappe vorgestellt hatte – es ging ja schließlich bergab – entpuppte sich als sportliche Herausforderung. Ausgesetzte Wegstücke und Seilversicherungen brachten uns Trekking-Neulinge ordentlich ins Schwitzen. Bloß nicht straucheln! Bloß nicht abrutschen! Und die 18 Kilo Gepäck auf meinem Rücken machten die ganze Angelegenheit nur noch wackeliger. Ich war froh, als wir irgendwann wieder einen „normalen“ Weg vor uns hatten. Und unser Etappenziel.
Der letzte Abstieg hinunter ins Tal der Krossá führte uns über angenehm weiche Waldwege. Ja, Wald! Nur etwa 2 % der Fläche Islands sind mit Wald bedeckt, meist handelt es sich, wie hier auf dem Þórsmörk, um flache Birkenwäldchen. Daher kommt wohl auch dieser tolle Witz:
Was sollte ein Wanderer tun, der sich in Islands Wäldern verlaufen hat?
– Aufstehen!
Die letzten Meter führten recht steil hinunter. Das Gewicht meines Rucksacks drückte auf meine erkältungsbedingt wackeligen Knie, während ich Richtung Tal taumelte. Wieder mal sehnte ich mir – na, wer errät es? – Wanderstöcke herbei. Als wir das Tal erreichten, war ich platt wie ein Brötchen. Da freute ich mich umso mehr, eine aufmunternde Parole auf einem Jeep zu lesen (Ironie!).
Schon wartete die nächste Herausforderung auf uns: Der weit verzweigte Gletscherfluss Krossá wollte gequert werden. Wir liefen an den einzelnen Armen des Flusses auf und ab und suchten geeignete Stellen zum Queren. Mal balancierten wir von Stein zu Stein, mal fanden wir flache Stellen zum einfach Durchlaufen, und ein Mal blieb uns nichts anderes übrig, als in unsere Trekkingsandalen zu schlüpfen und durch das eiskalte Wasser zu waten. Über den letzten, sehr breiten und reißenden Arm der Krossá führte zum Glück eine Holzbrücke. Nach über einer halben Stunde hatten wir endlich die andere Seite und ein paar Minuten später auch den Campingplatz erreicht.
Þórsmörk: Pausentag im Wald des Thor
Völlig geschreddert ließ ich mich ins Gras sinken. Ein Bett und Zimmerservice wären jetzt toll gewesen, stattdessen mussten wir noch das Zelt aufbauen und unsere Tütengerichte auf dem Gaskocher bereiten. Keine Lust! Ein wunderbarer Duft riss mich aus meinen Gedanken. Nur ein paar Meter weiter grillte eine isländische Großfamilie Lachs und Lamm. Mmh! „Wenn ihr etwas übrig behaltet, nehmen wir hungrigen Wanderleute euch das gerne ab“, hörte ich mich sagen. Was als Spaß gemeint war, nahmen die freundlichen Isländer für bare Münze. Ein paar Kinder brachten uns einen Teller mit gegrilltem Lamm, dazu eine Schüssel Salat und Dressing. Soooo lecker!! Versöhnlicher hätte der anstrengende Tag nicht zu Ende gehen können.
Nach der Fimmvörðuháls-Wanderung machten wir einen Tag Pause in der Þórsmörk. Während der Rest der Gruppe eine Wanderung zur Schlucht Stakkholtsgjá mit ihrem Wasserfall unternahm, nutzte ich den Tag, um meine Erkältung auszukurieren und meine müden Knochen für die kommenden vier Tage auf dem Laugavegur zu regenerieren.
Und, Lust auf diese Tour bekommen? Ich kann die Wanderung jedenfalls wärmstens empfehlen. Sie wird übrigens von einigen Veranstaltern auch als geführte Tagestour angeboten – hat das schon mal jemand gemacht?