Down-Syndrom

Down-Syndrom: Ein Chromosom mehr im (Reise-)Gepäck

Wenn ich eines während meiner Reisen gelernt habe, dann dass Flexibilität immens wichtig ist. Wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant, dann findet sich ein anderer Weg. Irgendwie habe ich bisher jede Hürde überwunden. Ich hoffe, das bleibt auch so, denn das Leben stellt mich gerade vor eine riesengroße Herausforderung.

Theorie & Praxis des Lebens

Vor der Geburt unserer Jüngsten habe ich mir Gedanken über die kommenden Jahre gemacht. Unsere beiden Mädels würden altersmäßig nicht weit auseinander sein, gerade mal 20 Monate. Die ersten ein zwei Jahre würden sicherlich sehr anstrengend werden, aber danach könnten die beiden wunderbar miteinander spielen. Ab dem kommenden Jahr wollte ich beide Mädchen gemeinsam in die Kita schicken, weil ich wieder Teilzeit arbeiten wollte. Und vorher wollten wir selbstverständlich nochmal eine lange Elternzeit-Reise unternehmen. Überhaupt stellte ich mir vor, dass wir bereits in wenigen Jahren wieder viel aktivere Urlaube machen könnten, wenn unsere Töchter auch nur einen Funken von meinem Sportsgeist abbekommen haben.

Leben ist das was passiert, während du beschäftigt bist, andere Pläne zu machen.
—  John Lennon

Ein einziger kleiner Satz hat all meine Vorstellungen über den Haufen geworfen: „Ihre Tochter hat das Down-Syndrom.“ Die Tränen kullerten in Strömen über meine Wangen. Nein, das konnte einfach nicht wahr sein! Wie aus weiter Ferne drangen die Erläuterungen der Kinderärztin zu mir durch: Schrägstehende Lidachsen, geringer Muskeltonus, flache Nasenwurzel, tief sitzende Ohren, kurzer Hals, große Zunge, Sandalenlücke… All mein Mutterglück der letzten zwei Stunden zerplatzte wie eine Seifenblase. Alles würde anders werden. Alles. Wenn ich mir die fünf Phasen der Schicksalsbewältigung ins Gedächtnis rufe, dann war das wohl Phase 1: Schock.

Down-Syndrom: Wie sagen wir es unseren Familien?

Irgendwann wurde ich vom Kreißsaal auf die Wöchnerinnen-Station verlegt – in ein Einzelzimmer. Ich, die einfache Kassenpatientin. Sicherlich wollte man uns damit Zeit und Raum geben, um die neue Situation in Ruhe zu verarbeiten. Mein erster Gedanke war allerdings: Toll, schon jetzt werden wir anders behandelt. Dabei dachten und handelten wir selbst ja auch „anders“.
Wir fragten uns, wie wir unserer Familie die frohe Botschaft überbringen sollten, die eben nicht durchweg froh war. „Unsere Kleine ist da. Sie ist soundso groß und wiegt soundso viele Kilo. Mutter und Kind sind wohlauf.“ Der letzte Satz des typischen Standardtextes passte aber nicht. Und „Unsere Tochter hat das Down-Syndrom“ konnten wir irgendwie auch schlecht schreiben. Wir beschlossen schließlich, den wohlauf-Satz wegzulassen und unsere Familien und Freunde lieber persönlich zu informieren.

Ich glaube, ich habe diesen Satz nicht einmal ohne Tränen oder mindestens Schluchzen über die Lippen bekommen. Unsere Kleine hat das Down-Syndrom. Unsere Familien und Freunde haben zum Glück ganz toll reagiert. Alle haben (nach dem ersten Schock) versucht, uns Mut zu machen. Ihr schafft das. Menschen mit Down-Syndrom sind besonders liebenswert. Man sieht es ihr gar nicht an. Ich kenne ein Kind mit Down-Syndrom, das geht in eine ganz normale Schule. Wenn ihr Hilfe braucht, wir sind für euch da.
So dankbar ich für alle Aufmunterungen war und bin, meine Ängste konnten sie (zu diesem Zeitpunkt) nicht abbauen. Werde ich unser Baby genauso lieben wie unsere Große? Kann ich beiden Kindern mit ihren jeweiligen Bedürfnissen gerecht werden? Welche und wie starke Beeinträchtigungen wird unsere Kleine haben? Wird sie eine normale Kita/Schule besuchen können? Wird sie später selbständig leben und wohnen können? Werde ich je wieder arbeiten können? Können wir trotzdem eine Elternzeit-Reise unternehmen? Und immer wieder schoss mir durch den Kopf: Ich will das alles nicht, so habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Ich hatte eine riesige Angst vor dieser ungewissen Zukunft…

Warum passiert uns das?

Furcht führt zu Wut, um mal Yoda zu zitieren. Und die flammte bei mir gerade in den ersten Tagen immer wieder ganz stark auf. Das statistische Risiko, dass ich mit meinen 37 Jahren ein Kind mit Down-Syndrom bekommen würde, lag bei 1:225. Warum waren ausgerechnet wir die einen? Und das bei unserer Vorgeschichte…

Vor unserer Großen hatten wir bereits eine Tochter, die kurz nach ihrer Geburt in der 20. Schwangerschaftswoche in meinen Händen gestorben ist. 22,5 Zentimeter, 250 Gramm, ein Mini-Mensch. Luisa hatte das Dandy-Walker-Syndrom, eine Fehlbildung des Kleinhirns, die bei einer von 25.000 bis 30.000 Geburten auftritt. Zusätzlich wurde bei ihr eine Unterentwicklung des Balkens festgestellt, der die beiden Hirnhälften verbindet. Prognose der Ärzte: „Totalausfall“. Genauso kann man meinen Zustand nach Luisas Tod wohl auch beschreiben. Sein eigenes Kind zu beerdigen ist eine unbeschreiblich schreckliche Erfahrung, die kein noch so empathischer Mensch auch nur im Ansatz nachfühlen kann.

Zwei Projekte, die mir sehr am Herzen liegen
Klinikaktion der SchmetterlingskinderDurch die Klinikaktion der Schmetterlingskinder haben wir minikleine, selbst genähte Kleidung für Luisa erhalten, damit wir sie in Würde beerdigen konnten. Außerdem haben uns die Infobroschüren der Aktion unheimlich geholfen. Wer weiß schon, was in so einer schlimmen Situation alles zu beachten ist?
Mittlerweile gibt es mehrere solcher Hilfsinitiativen, z.B. auch Herzenssache – Nähen für Sternchen & Frühchen.

Dein SternenkindUnheimlich wichtig für den Trauerprozess sind schöne Fotos von seinem Sternenkind. Das konnte ich mir in dem Moment nicht vorstellen, im Nachhinein bereue ich es, nur ein paar schlecht belichtete Handyfotos von meiner Luisa zu haben. Unter Dein Sternenkind finden Eltern von Sternenkindern schnell einen Fotografen in ihrer Nähe.

Die Aktionen freuen sich über Unterstützung – schaut doch mal rein!

Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Drei Kinder, zwei Syndrome. Beide haben keine genetische Ursache, sowohl die freie Trisomie 21 als auch die Dandy-Walker-Fehlbildung sind schlicht und ergreifend eine „Laune der Natur“. Ich habe Wahrscheinlichkeitsrechnung schon in der Schule gehasst…

Nach durchwachten Nächten auf der Neonatologie fehlte mir morgens jegliche Motivation für alles. Ich brach in Tränen aus und hoffte inständig, aus diesem schlimmen Traum zu erwachen. Dann gewann die Wut die Oberhand. Warum wir? Wir hatten doch schon genug durchgemacht. Warum nicht zur Abwechslung mal jemand anders? Vielleicht jemand, der es eher „verdient“ hat. Irgendwann schaltete die Wut in eine Art Trotzhaltung um. Scheiß was drauf, ich lasse mich von diesem Down-Syndrom nicht unterkriegen! Aber wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ging am nächsten Morgen alles wieder von vorne los. Ja, ich war eindeutig in Phase zwei der Schicksalsbewältigung angekommen: Wut. Gespickt mit einer Prise Phase drei – Depression.

Einzug in den neuen Alltag

Nach sechs Tagen Klinikaufenthalt durften wir endlich nach Hause. Ich war froh, die Neonatologie samt Infusionen, Kabel und piepsenden Maschinen hinter mir zu lassen. Außerdem hoffte ich, durch die vertrauten vier Wände aus der Murmeltier-Endlosschleife ausbrechen zu können. Zumindest teilweise ist mir das gelungen, vor allem dank unserer Großen. Sie war froh, ihre Mama wieder zu haben, und belegte mich mit Beschlag. Entsprechend anstrengend waren meine ersten Tage zu Hause. Ich legte einen astreinen Spagat zwischen meiner liebesnachholbedürftigen Großen und meiner Neugeborenen hin. Wochenbett, was ist das? Immerhin kreisten so meine Gedanken nicht permanent um das Down-Syndrom.

Was jedoch blieb, waren meine depressiven Stimmungen nach dem Aufwachen. Ich schaute mein Baby an und sah nicht einfach nur mein Kind, sondern mein Kind mit Down-Syndrom. Ich inspizierte ihre Augen, ihre kleinen, tief sitzenden Ohren und verfolgte ihr Zungenspiel. Ich beobachtete, analysierte, begutachtete – alles mit einer gehörigen emotionalen Distanz. Dabei wünschte ich mir nichts sehnlicher, als in der Kleinen einfach nur meine Tochter zu sehen und ganz viel Mutterliebe zu empfinden. Leider gibt es den berühmten Schalter nicht, den man einfach nur umlegen muss. Die Gewöhnung an eine neue Lebenssituation ist nun mal ein Prozess.

Im neuen Leben angekommen

Heute, nur ein paar Wochen später, habe ich die neue Situation offenbar schon ganz gut akzeptiert. Sicherlich nicht bis in den letzten Winkel meines Herzens, aber doch soweit, dass ich die einfache Frage, wie es mir geht, wieder reinen Gewissens mit „gut“ beantworten kann.

Leni
Unsere Kleine mit 2,5 Wochen.
Foto: Dipl.-Fotodesignerin Kathrin Hester

Wenn ich mein Mädchen anschaue, sehe ich meine süße Tochter mit ihren großen, bedächtig in die Welt blickenden Augen. Ich muss schmunzeln, wenn sie sich beim Aufwachen minutenlang geräuschvoll und mit angestrengter Miene räkelt, erinnert mich das Schauspiel doch ganz stark an unsere Große als Baby. Und wenn Leute mir zur süßen Tochter gratulieren, grinse ich stolz wie ein Honigkuchenpferd. Meine Gefühlswelt ist wieder im Lot, und darüber bin ich verdammt froh! Juchu, damit habe ich wohl die letzte Phase erreicht: Akzeptanz.

Meine momentane Erkenntnis ist, dass ein Baby mit Down-Syndrom am Anfang nicht groß anders funktioniert als ein „normales“ Baby: Füttern, wickeln, schlafen, repeat. Was anders ist, ist der ganze Overhead. Diverse Formalitäten, mehr Arztbesuche, ein Mal pro Woche Krankengymnastik, wobei ich die Übungen im Idealfall noch drei bis vier Mal täglich (realistischer Weise ein bis zwei Mal täglich) zu Hause mit der Kleinen machen muss, irgendwann Frühförderung, Ergotherapie, Logopädie etc. Ich habe jetzt noch keine Ahnung, wie genau die ganzen Therapien ablaufen werden, aber kommt Zeit, kommt Rat. Oder wie die Norweger sagen: Det regler seg. Oder wie Johann Wolfgang von Goethe sagte:

Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.

Reisen & Arbeiten: Meine Zukunftspläne

Nach all den zerplatzten Seifenblasen im ersten Schockmoment blicke ich jetzt wieder optimistischer nach vorne. So lange von ärztlicher Seite nichts dagegen spricht, möchte ich unsere ursprünglichen Pläne trotz der Down-Syndrom-Diagnose weiter verfolgen. Im nächsten Sommer möchte ich gerne wieder meine Arbeit aufnehmen. Ich mag meinen Job, meistens jedenfalls. Sollte unsere Kleine dann noch nicht bereit für eine Kita oder Tagesmutter sein, dann verschiebe ich meinen Job-Einstieg eben etwas, oder ich reduziere die Arbeitsstunden oder arbeite teils von zu Hause aus. Vorher möchte ich gerne eine zweite Elternzeit-Reise unternehmen. Sollten zwei Monate am Stück wegen der Therapien nicht möglich sein, dann halt zwei Mal ein Monat. Überhaupt möchte ich noch viele spannende Reisen mit meinen Mädels unternehmen. Und auch einen Wochenendtrip oder mal eine Wanderung alleine. Wir werden einen Weg finden, wie wir den Wünschen und Möglichkeiten der einzelnen Familienmitglieder gerecht werden.

Eine Reise habe ich übrigens schon fix geplant: Ich werde mit meinen beiden Mädels und meinen Eltern für ein paar Tage an die Nordsee fahren. Nichts Spektakuläres, einfach nur andere Luft schnuppern. Ich freue mich schon riesig darauf! Bilder von unterwegs werde ich wie immer auf meinen Facebook– und Instagram-Kanälen posten.

Was mich als Reisejunkie brennend interessiert, sind Erfahrungen zum Thema Reisen mit Down-Syndrom. Wer dazu persönliche Tipps hat oder passende Netzwerke kennt, darf sie mir gerne als Kommentar hier lassen. Danke! Unsere Erfahrungen werde ich – neben meinen normalen Reiseberichten – natürlich auch hier im Blog teilen.

Interessant? Dann gerne teilen!

15 Comments

  1. Sorry, ich weiß, das steht mir wohl nicht zu, ich hab gerade dennoch unheimlich heulen müssen bei Deinem Artikel. Und ich bewundere Dich jetzt schon: Nach so kurzer Zeit einen so tollen Artikel zu schreiben – das kann nur ganz viel Gutes für Dich und Euch bedeuten. Und auch, wenn das nur eine Idee ist und ungelegte Eier und niemand weiß, wievel Zeit und Muße Du fürs Bloggen haben wirst und haben willst: Ich finde die Idee ganz großartig, das zu thematisieren, hier im Blog. Nicht nur für andere Eltern, für andere Menschen mit Trisomie 21, sondern auch für Leute wie mich, damit ich mir darunter etwas besser vorstellen kann. Damit wir alle „Abweichungen“ von der Normalität als Bereicherung empfinden können – Du hast das so schön beschrieben.
    Ich fänd es jedenfalls wunderbar.
    Zufällig habe ich gerade letzte Woche mit dem Mann über Trisomie 21 geredet, es kam ein Radiobeitrag, glaube ich, dass in Medizin und im sozialen Umgang so viele Fortschritte gemacht wurden, dass das heute etwas ganz anderes bedeutet als noch vor 30 Jahren: Mehr Selbständigkeit, längeres Leben, Schule, Arbeit. Die einzige, die ich übrigens mal kannte mit Trisomie 21, war ein wunderbares, sehr glückliches Mädchen.
    Ich wünsch Dir / Euch alles, alles Gute!
    <3

    • Danke, Inka, für deine lieben Worte!! Ich bin selbst gespannt, wie sich alles entwickelt, im echten Leben und hier im Blog. In einem Zeitalter, in dem jeder individueller sein will als der andere, sollte Integration ja kein Problem sein, sollte man meinen. Die Quote, dass 9 von 10 Frauen, die die Down-Syndrom-Diagnose im Vorfeld bekommen, abtreiben, spricht allerdings dagegen. Schwieriges Thema.
      Ich hoffe sehr, dass unser Leben viel Normalität beinhalten wird, zusammen mit einer positiven „Normabweichung“. Und ich freue mich, wenn wir durch so liebe Kommentare und interessiertes Mitlesen auf unserem Weg begleitet werden.
      Ganz liebe Grüße, Nicole

  2. Hallo Nicole,

    ich musste, genau wie Inka, erstmal mit den Tränen kämpfen. Ist einfach so. Seitdem ich selber ein Kind habe berühren mich Kinderthemen sehr. Und ich möchte dir auch danken, dass Du es auf deinem Blog teilst, denn du hilfst bestimmt vielen Menschen in ähnlicher Situation damit. Du bist stark und mutig und ich freue mich auf deine Artikel, die bestimmt kommen werden.

    Liebe Grüße Britta

  3. Liebe Nicole,

    dein Bericht sowie der Mut, so offen über dein Privatleben zu schreiben finde ich bewundernswert. Vielleicht hilft es dir wenigstens ein bisschen, wenn ich behaupte, dass Kinder mit Trisomie 21 etwas ganz besonderes sind. Diese Überzeugung habe ich innerhalb von jetzt fast 5 Jahren gewonnen, seit ich mit diesen besonderen Kindern zusammenarbeite. Ich arbeite in einer Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung und muss gestehen, dass ich noch nie zuvor in meinem Leben mit so vielen tollen Menschen zusammen sein durfte, wie in dieser Zeit. Natürlich kann ich nicht als erfahrene Mutter sprechen, die selbst ein Kind mit Behinderung hat, aber die tägliche Arbeit mit ihnen ist sehr bereichernd und wunderschön. Ich gehe mit den Kindern ganz normal um, wie ich auch mit meinen eigenen umgehe, und das interessante ist, dass ich ihre Behinderung als solche überhaupt nicht mehr wahrnehme. Für mich sind behinderte Kinder ganz normal, wie du und ich, und ich käme nie auf den Gedanken in ihnen etwas anderes zu sehen als Normalität. Doch eines ist vielleicht anders – sie sind viel fröhlicher, lebensbejahender, glücklicher, hilfsbereiter, Anteil nehmender und vor allem höflicher als „normale“ Kinder. Ich liebe sie jedenfalls alle.
    Ich habe einmal eine schöne Geschichte über eine Mutter gehört, die sich fragte: Warum nur habe ich ein Kind mit Behinderung bekommen? – Worauf sie die Antwort bekam: Weil Gott wusste, das du stark bist und es schaffen wirst mit diesem Kind glücklich zu werden. Einer schwachen Mutter würde er solch eine Lebensaufgabe nie geben.
    Irgendwie fand ich diese Antwort sehr ermutigend. Und ich hoffe, dass es auch für dich so ist.
    „Du schaffst das schon2!, ist ein Standardspruch, den ich jeden Tag zu meinen Kindern spreche – und ernte damit immer ein wundervolles Lächeln.
    Viele Grüße von
    Christine

  4. Liebe Christine,
    danke für deinen ausführlichen Kommentar!! Es ist toll, wie du über deine Arbeit und deine Schützlinge schreibst. Ich hoffe, dass meine Kleine auch mal so eine liebe Lehrerin bekommt.
    Wie du geschrieben hast, ist Normalität sicherlich der Schlüssel zu einem glücklichen Leben mit einem behinderten Kind. Die müssen/wollen wir uns wieder erarbeiten. Ich denke, wir sind da auf einem ganz guten Weg.
    Viele Grüße,
    Nicole

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  6. Liebe Nicole,
    dein Text hat mich sehr bewegt. Ich habe vier gesunde Kinder und mir ist jeden Tag bewusst, wie zerbrechlich unser „normales“ Leben ist – wie schnell kann etwas Unvorhergesehenes passieren, das alles umwirft und uns zwingt unsere Lebenspläne zu ändern. Ich find es bewundernswert, wie Du über deine Situation schreibst und wie Du es schaffst, deine Pläne nicht aufzugeben, sondern anzupassen.
    Zwei meiner Kinder sind von der Krippe bis zur Mittelstufe als „Regelkinder“ in Integrationsgruppen und -klassen gewesen. Das waren immer die Gruppen mit den engagiertesten Betreuerinnen und Lehrerinnen und die Vielfalt und Akzeptanz hat allen in ihrer Entwicklung gutgetan. Die Kinder mit Trisomie sind immer gleich sichtbar, aber sie schienen mir auch zu den unkomplizierteren Kindern in diesen Klassen zu gehören. Inzwischen sind solche Klassen bei uns ja das Normale, da hat sich schon einiges bewegt, wenn auch natürlich nicht immer mit optimalen Rahmenbedingungen.
    Was ich sagen will: Wo ein guter Umgang mit den besonderen Menschen in unserer Gesellschaft herrscht, ist es auch gut für alle anderen. Und so habe ich es auch auf Reisen erlebt. Auf dem Eselhof in der Dordogne diesen Sommer, wo man viel mit Behinderten arbeitet, da waren die geduldigsten Esel und nettesten Menschen. Im 08/15 Hotel in einem kleinen Touristenort in der Türkei lernten wir eine Mutter kennen, die seit vielen Jahren mit ihrem inzwischen erwachsenen Sohn auf der Entwicklungsstufe eines Zweijährigen (Masernkomplikation) dort urlaubte. Ihr Sohn war bei allen Ladenbesitzern an der Strandpromenade bekannt und wurde überall ganz entspannt und aufs herzlichste begrüßt und eingeladen. Das sind Orte, an denen ich mich spontan wohlfühle.
    Ich finde deine Idee, über Reisen mit Trisomie im Gepäck zu berichten toll. Aber noch besser fände ich es, wenn ihr einfach ganz selbstverständlich und „normal“ als etwas buntere Familie unterwegs sein könntet ohne immer darauf hinweisen zu müssen. Und warum sollte das nicht möglich sein, wenn sich eure Situation stabilisiert? Ich drücke Euch sehr die Daumen! Eure Kleine ist süß!

    • Liebe Sabine,
      danke für deine ermutigenden Worte und Erlebnisse!! Zum Glück ist unsere Gesellschaft auf einem guten Weg, was das Thema Integration angeht, aber es ist auch noch Luft nach oben da. In jedem Fall hoffe ich, dass wir ganz schnell zur Normalität zurück finden. Zu einer etwas anderen Normalität, denn es gibt viel Neues für uns zu lernen und zu beachten. Aber man wächst mit seinen Aufgaben. Übermorgen geht es für uns erst mal an die Nordsee, wo wir uns von den vielen Arztbesuchen und sonstigen Terminen erholen wollen. Ich freue mich schon sehr darauf.
      Liebe Grüße, Nicole

  7. Anne Claire Groffmann

    Hallo Nicole,
    ich finde es gut, dass du so offen über dein Kind und deine Gefühle schreibst. Ich habe selbst eine behinderte Tochter und kenne den Schmerz, die Wut und Ratlosigkeit, die immer wieder mal die Oberhand gewinnen. Andererseits kann man aber auch kreativer mit der Erziehung umgehen. Unser Motto war immer „Besondere Kinder gehen besondere Wege“. Wir haben sie irgendwann nicht mehr in die Therapien gebracht und in die Schule gezwungen, sondern sie ihren eigenen Weg suchen und finden lassen. Das braucht viel Geduld, Kraft und Mut, da man sich auch trauen muß, manchmal gegen die Ratschläge der „Experten“ zu entscheiden. Aber heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. Heute ist sie 17 und ein glücklicher und trotz ihrer auch geistigen Einschränkung ein unglaublich reifer Mensch geworden. Sie ist offen, kommunikativ, engagiert und setzt mit vielen altersgemäßen Themen auseinander. Gerade gestern haben wir lange über Liebe, Freundschaft und Behinderung gesprochen und sie hat sich nun entschieden, bei einem Verein, der für die Inklusion kämpft ein Praktikum zu machen. Nach diesem Gespräch war ich richtig stolz auf meine Tochter.
    Ich wünsche, dir viel Mut und Kraft, dein Kind darin zu unterstützen, dass es seinen Weg gehen kann und ein glücklicher Mensch wird. Es wir ein langer Weg, aber lohnt sich.
    Liebe Grüße, Anne

    • Liebe Anne,
      deine Tochter ist sicherlich ein wunderbares junges Mädel, auf das du mit Recht stolz sein kannst! Ich wünsche ihr viel Freude und Erfolg bei ihrem Praktikum. Meinen Respekt hat sie jetzt schon.
      Wir stehen momentan ja noch ziemlich am Anfang und müssen uns noch durch den ganzen Dschungel an Möglichkeiten durchwühlen. Die Sicherheit, was wir brauchen und was nicht, was wichtig und richtig ist, die werden wir Stück für Stück gewinnen. Anstrengend finde ich das jetzt schon, aber es ist der einzige Weg.
      Danke für deine Worte, und alles Liebe für dich und deine Tochter wünsche ich dir.

  8. Hey Ihr Lieben,
    wir 4 (Mama, Papa, Kleinkind und Baby) waren heute auf der Suche nach einem Urlaubsziel. Als gebürtige Portugiesin entschied ich spontan Azoren auf google-Maps aufzurufen und einfach nach „Urlaub mit Kind auf Azoren“ zu googlen. Schon bin ich hier bei Euch gelandet. Danke. Für den Beitrag mit dem Urlaub. Für die Beitragsreihe über Trisomie 21.
    Eins möchte ich klar stellen: auf den Bildern von Euch auf Azoren habe ich die Trisomie 21 nicht erkennen können. Das gleiche auf diesem Bild hier oben. Ich sehe ein kleines Mädchen mit Babyspeck. :-) so eins wie wir einst hatten.
    Meine Einstellung zu Trisomie 21 (und bitte verzeihe mir, wenn es zu gewaagt oder anmassend klingeln sollte – was nicht so gemeint ist): Für mich ist das weder eine Erkrankung noch eine Behinderung. Es ist eher eine Eigenschaft wie: hell, dunkel, dick, dünn, klein, etc. Vielleicht liegt es an meiner Kindheit (aufgewachsen in einer Ferienfreizeit wo Kinder aus schwachen sozialen Verhältnisse augepäpelt wurden – unter anderem auch welche mit (Schwer-Behinderungen)aber, wenn ich gelernt habe: wir Menschen sind alle anders. Wir sind einzigartig. Manche haben eine „attestierte“ Behinderung, andere wissen nicht wie behindert sie sich verhalten.
    In diesem Sinne:
    „Behindert ist wer nicht lieben kann.“
    Kopf hoch und weiter wandern. Ich wünsche Euch einen schönen gemeinsamen (Lebens-)Weg. Alles Gute!
    Mimi

    • Liebe Mimi,
      danke für deine liebe Worte! Diesen Satz finde ich besonders schön: „Manche haben eine „attestierte“ Behinderung, andere wissen nicht wie behindert sie sich verhalten.“ Passt! Wie du sagst, Trisomie 21 ist eine Gen-Variante und absolut keine Krankheit. Eine Behinderung halt schon, aber der Ausprägungsgrad ist sehr unterschiedlich. Auch heute ist es noch so, dass viele Leute unserer Tochter die Trisomie nicht gleich ansehen, auch wenn sich einige Züge mittlerweile deutlicher zeigen. Bei unserer Bretagne-Reise wurde sie vielmehr für ein Wunderkind gehalten, weil sie als vermeintlich Einjährige (sie wird jetzt 2) schon alleine die Rutsche hoch klettern und runterrutschen konnte :-D
      LG und viel Spaß auf den Azoren, falls es euch nun dahin verschlägt.

  9. Nathalie

    Liebe Nicole,
    nun ist es schon 6 Jahre her, dass du diesen Blogbeitrag geschrieben hast und ich frage mich, wie es deiner Tochter nun geht und ob aus eurer Elternzeitreise etwas geworden ist? Ich habe den Beitrag heute entdeckt, weil ich vor 4 Wochen an einem ähnlichen Punkt stand. Unser Sohn wurde 3 Wochen zu früh mit der Diagnose „Trisomie21“ geboren. Er ist unser erstes Kind und genau wie ihr hatten/haben wir den Traum, eine 2-3 monatige Reise in unserer Elternzeit zu unternehmen. Was genau alles auf uns zu kommt, wissen wir noch nicht. Wir recherchieren und beschäftigen uns viel mit den Dingen, die du beschrieben hast – Physiotherapie…meistens geh ich einfach mit dem, was jetzt anfällt und bin durch das Tun hauptsächlich in dem Gefühl, Nils bestmöglich zu unterstützen und ihm hoffentlich alles geben zu können, was er braucht. Aber in Momenten wie diesen, als ich deinen Beitrag gelesen habe, kamen mir wieder die Tränen. Ich dachte, ich wär schon längst in der Phase der Akzeptanz, aber vielleicht braucht es doch noch ein bisschen Zeit und das Auseinandersetzen mit vielen neuen Dingen, die auf uns zukommen und mit der Angst davor. Aber die Freude, dass unser Wunschkind jetzt da ist, überwiegt und ich weiß, dass ich ihn liebe und nicht mehr ohne ihn sein will ❤️ Ich werde deinen Blog weiter durchforsten und verfolgen – vielleicht gibt es aktuellere Beiträge und falls du Lust hast, dich auf meine E-Mailadresse zu melden, gerne 🙂 Alles Liebe Nathalie

    • Liebe Nathalie,
      wir haben die Elternzeitreise gemacht! Und noch viele tolle Reisen seither. Letztes Jahr ist Leni in den Alpen fleißig gewandert, und letztes Wochenende haben wir eine 3-tägige Radtour auf dem Ruhrtalradweg unternommen (findest du auf Instagram, momentan komme ich nicht zum Blogschreiben). Hätte ich mir nach der Diagnose alles nie träumen lassen :-) Ich schreibe dir noch mehr per Mail.
      Liebe Grüße, Nicole

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